Die Signa-Struktur entgleitet ihrem Schöpfer René Benko - und steht vor einem tiefgreifenden Umbau / Der zweite Teil der “Narco Files” behandelt die Rolle der verblichenen Wiener Meinl Bank im Odebrecht-Korruptionsskandal.
Das ist die 38 Ausgabe der Dunkelkammer und heute geht’s um Geld, nicht um meins, da wären wir schnell durch.
Nein, es geht um das Geld anderer Leute.
Leute, die mal einiges davon hatten, jetzt aber auch nicht mehr ganz so flüssig sind.
Im ersten Teil geht’s um die Signa-Krise.
René ne va plus: René Benko verliert nun offenbar tatsächlich die Kontrolle über seine Schöpfung Signa, und ist es unklar, wie viel von der Schöpfung übrig bleibt.
Und im zweiten Teil geht’s um die Meinl Bank, eine Wiener Privatbank, die es schon länger nicht mehr gibt.
Die Bank spielt auch eine Rolle in den Narco Files. Das ein internationales Rechercheprojekt zur Organisierten Kriminalität, über das ich in der vorangegangen Ausgabe Nummer 37 erstmals berichtet habe.
I. Die Signa-Krise also.
Ich habe mich vor einiger Zeit hingesetzt und damit begonnen, ein Schaubild der Signa-Struktur zu zeichnen. In so einem Fall nimmt man sich ein Blatt Papier und fängt Kästchen zu zeichnen.
Da entstehen dann mehrere Ebenen, von Kästchen, die mit Linien verbunden werden. Ganz oben stehen die Gesellschafter oder Aktionäre, in der Mitte die Konzerngesellschaft und darunter die Beteiligungen und deren Beteiligungen.
Die Idee dahinter ist, den Aufbau einer Firmengruppen auf einen Blick verständlich zu machen.
Im Falle der Signa hatte ich nicht ein Blatt Papier genommen, sondern zwei, und da gleich Format A3, dann hab ich Kästchen gemacht, viele Kästchen und noch mehr Linien und irgendwann habe ich aufgegeben.
Mir war klar: Signa kann man nicht zeichnen.
Das beginnt schon damit, dass das nicht ein Konzern ist, der sich um eine Obergesellschaft herum organisiert.
Es ist ein Verbund mehrerer Obergesellschaften, die nebeneinander bestehen und unterschiedliche Eigentümer haben. Und unter diesen den Obergesellschaften, diese heißen zum Beispiel Signa Holding oder Signa Prime Selection oder Signa Development Selection, hängen hunderte Beteiligungen im In- und Ausland, die teilweise auch untereinander verbunden sind.
Da versammeln sich Bürohäuser, Hotels, Luxusimmobilien, Kaufhäuser, Sporthändler und Medienbeteiligungen.
Ich habe zuletzt immer wieder gelesen, dass Signa aus 1000 Firmen besteht, wenn auch ohne Quellenangabe. Das dürfte eine ziemliche Übertreibung sein. Nach meinen Recherchen sind es eher um die 500 Signa-Firmen. Reicht aber auch.
Wie gesagt. Signa kann man nicht zeichnen. Also jedenfalls nicht verständlich. Wenn man all die internen Verflechtungen berücksichtigt, dann hätte man am Ende kein Organigramm, sondern etwas das mehr ausschaut wie der Netzplan der U-Bahn von Tokio (die übrigens deutlich weniger Stationen hat, als es Signa-Firmen gibt).
Transparent war Signa nie. Das war gewollt.
Eine wirkliche Öffentlichkeitsarbeit hat es dort nicht gegeben, ich hatte da meistens mit mehr oder weniger gut aufgelegten Rechtsanwälten zu tun.
Es gibt zwar öffentlich zugängliche Jahresabschlüsse von Signa-Firmen, aber die zeigen jeweils nur Ausschnitte.
Einen gesammelten Überblick, eine so genannte Konzernbilanz, die gibt es nicht, die kann es auch nicht geben, weil es ja keinen Konzern im eigentlich Sinn gibt.
Und weil das so ist, lässt es sich derzeit von außen nicht gut beurteilen, wie schlimm es wirklich um Signa bestellt ist.
Tatsache ist, dass die Struktur erhebliche Schulden aufgetürmt hat und in ihrer jetzigen Form nicht weiterbestehen wird.
Der Teilbereich Signa Sports ist bereits pleite.
Signa Sports, das ist übrigens die Firma, wegen der Rene Benko mit Sebastian Kurz vergangenes Jahr mit Investoren aus Abu Dhabi verhandelte, um dort Geld für den Online-Sporthandel aufzutreiben.
Was offensichtlich nicht gelungen ist.
Über Abu Dhabi, Benko und Kurz habe ich in der Dunkelkammer-Ausgabe Nummer 7 berichtet.
Das sichtbarste Zeichen der Signa-Krise ist derzeit vermutlich die stillstehende Baustelle Elbtower in Hamburg. Dort fürchtet man sich bereits, dass daraus eine Dauerbaustelle wird.
Der Elbtower ist ein Projekt der Signa Prime Selection AG und die hat im Vorjahr wegen der veränderten Marktlage, hurra Zinswende, eine Milliarde Euro netto versenkt.
Diese Firma allein hat gut elf Milliarden Euro Schulden, etwa die Hälfte davon sind Bankschulden.
Ich gehe jetzt mal davon aus, dass man die Signa-Krise gerade in der Raiffeisen-Organisation aufmerksam verfolgt.
Raiffeisen ist einer der ganz großen Signa-Gläubiger.
Es erstaunt mich mittlerweile übrigens nicht, wie oft ich im Zuge vom Recherchen irgendwann bei Raiffeisen lande.
Gut, wenn man über Schulden spricht, dann muss man auch über Vermögen sprechen.
Die genannte Signa Prime Selection AG hatte Ende 2022 insgesamt rund 14 Milliarden Euro an Investment Property in den Büchen. Also Immobilien.
Dazu kamen noch weitere fast drei Milliarden Euro an sonstigen Vermögenswerten, aber ich wills jetzt nicht zu kompliziert machen.
Machen wirs einfach: 11 Milliarden Schulden auf der einen Seite, 14 Milliarden Immobilienvermögen auf der anderen.
Das schaut jetzt einmal grundsätzlich so schlimm aus.
Aber und das ist eine der zentralen Fragen: Sind diese Immobilien die 14 Milliarden Euro auch wirklich wert?
Wenn man sie alle auf einmal auf den Markt schmisse, dann gewiss nicht.
Und sowieso muss man bei Immobiliengesellschaften immer fragen, wie realistisch sie es mit Bewertung der eigenen Immobilien nehmen.
2021 zum Beispiel hat die genannte Signa Prime Selection den eigenen Immobilienbestand um 1,04 Milliarden aufgewertet, im Vorjahr hat dann man um 1,17 Milliarden abgewertet.
Erinnert ein bisschen ans Jojo-spielen.
Wie viel etwas wirklich wert ist, das weiß man aber eben erst, wenn mans verkauft hat.
Bis dahin sind Bewertungen notgedrungen immer eine Fiktion.
Abseits der Rechenspiele braucht Signa aber kurzfristig Cash, um Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Für offene Rechnungen von Lieferanten, für Abgaben, für Bankschulden und so weiter.
Allein bei der Signa Holding soll der kurzfristige Liquiditätsbedarf bei mehr als 400 Millionen Euro liegen.
Das ist nicht gerade wenig, wir reden da von echtem Geld, nicht von Bewertungsspielchen, und das Geld muss von irgendwo her kommen.
Die Signa Holding war zuletzt auch der zentrale Schauplatz des Geschehens.
Sie ist eine dieser Signa-Dachgesellschaften, nicht die größte, aber die wichtigste. Benko hatte da bisher über Privatstiftungen die Mehrheit, und er war Vorsitzender des so genannten Beirats und der Gesellschafterkomitees.
In diesem Gremium saßen zuletzt neben Benko lauter gescheite Leute, insgesamt sieben Männer und eine Frau, darunter Susanne Riess-Hahn, Alfred Gusenbauer und Karl Stoss.
Der Beirat wurde immer als Beratungsgremium vorgestellt und eingedenk dieses Desasters stellt sich jetzt natürlich die Frage, was da eigentlich beraten wurde.
Die Signa-Krise ist nicht von jetzt auf gleich passiert. Das hatte einen langen Vorlauf. Benko ist jetzt jedenfalls raus aus dem Beirat und aus dem Gesellschafterkomitee, auch wenn er weiterhin über seine Stiftungen die Mehrheit hat.
Spät aber doch haben ein paar Investoren Druck gemacht, hervorgetan hat sich da bisher vor allem Hans Peter Haselsteiner, der über eine Privatstiftung mit rund 15 Prozent bei der Holding dabei ist.
Was mich an den bisherigen öffentlichen Erklärungen von Haselsteiner erstaunt hat, ist, dass die Signa offenbar nicht nur für Außenstehende intransparent war, sondern auch für die eigenen Mitgesellschafter.
Die scheinen auch nicht so genau zu wissen, in was sie da eigentlich investiert haben.
Gut, Signa war lange Zeit eine Gelddruckmaschine, da hat der Mangel an Transparenz vermutlich nicht so gestört.
Jetzt soll es jedenfalls der deutsche Sanierer Arndt Geiwitz richten und Geiwitz wird das machen, was Sanierer immer machen.
Er wird Signa entflechten und filetieren.
Und am Ende wird die Struktur eine ganz andere sein.
Mal schauen, was das zum Beispiel für die indirekten Anteile an Kronen Zeitungen und Kurier bedeutet, die Benko vor seit einigen Jahren über Deutschland erworben hat.
Oder für die Jacht Roma, eines von Benkos Spielzeugen.
Ich will noch nicht zu viel verraten, aber die Jacht wird mich demnächst ausführlicher beschäftigen.
So oder so: Ich bleibe dran.
II. Es war einmal die Meinl Bank.
Ich habe in meinem Büro eine Fotowand, wo Bilder beruflicher Begegnungen hängen, ja ich hab auch eine sentimentale Seite.
Auf einem der Fotos bin ich mit Peter Weinzierl zu sehen, der war einmal Direktor der Meinl Bank.
Wir stehen in der Meinl Bank vor einem Gemälde von Julius Meinl II., das war der Gründer der Bank.
Julis Meinl II. hatte 1923 mit einem Spar- und Kreditverein für die Angestellten und Kunden seiner Firma begonnen, Jahrzehnte später wars dann auch ein Spar- und Kreditverein für russische Oligarchen.
2019 passierte dann etwas, das es hierorts bis dahin noch nicht gegeben hatte. Die Europäische Zentralbank entzog der kleinen Privatbank die Lizenz wegen mangelnder Sorgfalt im Geldverkehr, Stichwort: Geldwäscheprävention.
Die Haus musste daraufhin schließen, es hat sein 100-jähriges Jubiläum knapp nicht erlebt.
Das Foto mit Peter Weinzierl erinnert mich daran, welch merkwürdige Wendungen das Leben nehmen kann.
Entstanden ist es 2015 bei einem Interview, ich war damals profil, er Meinl Bank.
Heute bin ich freier Podcaster, die Meinl Bank ist Geschichte und Peter Weinzierl sitzt in Großbritannien fest und bekämpft seine Auslieferung in die USA, die ihn wegen Geldwäscherei anklagen wollen.
Weinzierl soll für den brasilianischen Baukonzern Odebrecht jahrelang hunderte Millionen Dollar gewaschen haben.
Was er bestreitet.
Odebrecht, das ist ein Riesen-Skandal in Lateinamerika, aber eigentlich weit darüber hinaus.
Die früheren Manager der Baufirma, heute heißt sie Novonor, haben über eineinhalb Jahrzehntelang Politiker und Beamte in etlichen Ländern mit hunderten Millionen Dollar geschmiert, um an öffentliche Aufträge zu kommen.
Die hatten bei Oderbrecht dafür sogar eine eigene Bestechungsgeldabteilung eingerichtet.
Und sie hatten die Meinl Bank.
Also genau genommen hatten sie die Meinl Bank Antigua Limited.
Richtig gehört, die kleine Wiener Meinl Bank hatte mal einen Ableger auf Antigua, das ist in der Karibik und in meiner Welt nennt man Antigua auch ein Offshore-Paradies.
Das ist da, wo sich die Briefkastenfirmen besonders wohl fühlen.
2011 hat eine Offshore-Firma die Mehrheit der Meinl Bank Antigua gekauft und später hat sich dann herausgestellt, dass hinter dieser Offshore-Firma Leute von Odebrecht standen.
Ja und nicht nur das:
Die Odebrecht-Leute sollen die Meinl Bank Antigua dann auch dazu verwendet haben, um Odebrecht-Bestechungsgelder auszuzahlen.
Für Peter Weinzierl ist das insofern dumm gelaufen, als er da immer noch Direktor der Meinl Bank Antigua war.
Weinzierl hat später gesagt, dass er eine Zeit lang nur noch auf dem Papier Direktor in Antigua war. Durch den Verkauf der Mehrheit in Antigua habe die Meinl Bank dort operativ nichts mehr mitzureden gehabt, und er selbst sei da ins Nichts involviert gewesen.
Mittlerweile weiß man allerdings auch, dass der gesamte Antigua-Zahlungsverkehr über die Wiener Zentrale der Meinl Bank gelaufen ist, also über österreichische Bankkonten.
Was natürlich nicht heißen muss, dass Weinzierl das hier mitbekommen hätte.
Er war als Bankdirektor schließlich vielbeschäftigt.
Die Oderbrecht-Zahlungen über Wien sind auch der Grund, warum die WKStA in Österreich seit 2017 wegen Bestechung und Geldwäscherei ermittelt.
Und so schließt sich dann der Kreis zu den “Narco Files” aus Kolumbien.
“Narco Files”, das ist ein internationales Rechercheprojekt auf Grundlage gehackter E-Mails einer kolumbianischen Staatsanwaltschaft.
Das Projekt wird von der Investigativ-Plattform OCCRP koordiniert, in Österreich berichten der Standard, profil und eben die Dunkelkammer.
Laut den Datensätzen schickte die Staatsanwaltschaft in Bogota 2021 ein Rechtshilfeersuchen nach Wien. Denn auch Kolumbien hat Odebrecht seinerzeit fest geschmiert, um öffentliche Aufträge zu bekommen und auch da wurde ermittelt.
Da gings unter anderem um ein mehr 500 Kilometer langes Autobahnteilstück, für das kolumbianische Politiker die Hand aufgehalten hatten.
Auch da soll Bestechungsgeld über die Meinl Bank in Wien an Offshorefirmen verteilt worden sein.
Die WKStA reagierte damals übrigens schnell und schickte einen ausführlichen Bericht des Bundeskriminalamts nach Kolumbien, wo eine Reihe von Transaktionen aufgeschlüsselt waren, für die sich die Staatsanwaltschaft dort eben interessierte.
Wie gesagt, das war 2021. Jetzt haben wir Ende 2023 und soweit es die WKStA betrifft … wird immer noch ermittelt.
Laut einer Anfragebeantwortung an Stefan Melichar/profil und mich ermittelt man gegen derzeit noch gegen sieben namentlich bekannte Personen, acht Verbände und einen unbekannten Täter und zwar wegen des Vorwurfs der Bestechung und der Geldwäscherei.
Das Ermittlungsverfahren dauert laut WKStA noch an, es sind mehrere Rechtshilfeersuchen ergangen, wann die Ermittlungen abgeschlossen werden, kann die Behörde nicht sagen.
Das ist jetzt deshalb bemerkenswert, weil es ja schon seit 2021 eine Anklage gegen Weinzierl gibt. Nur eben in den USA.
Auch da geht’s um Odebrecht, auch da geht’s um Schmiergelder und auch da geht’s um die Meinl Bank.
Bereits vor Jahren hat Odebrecht in den USA wegen der Korruptionsvorwürfe einen Deal mit der US-Justiz gemacht und dort 2,6 Milliarden Dollar Strafe gezahlt.
In den USA selbst hat Odebrecht zwar nicht geschmiert, dafür aber auch US-amerikanische Bankkonten genutzt, und das reicht dort schon, um ordentlich Ärger zu bekommen.
Peter Weinzierl und ein zweiter ehemaliger Manager der Meinl Bank werden von den Amerikanern nun als Teil der Odebrecht-conspiracy betrachtet und sollen deshalb vor Gericht.
Weinzierl wurde 2021 bei einem Trip nach Großbritannien für ihn völlig überraschend festgenommen, mittlerweile darf er sich dort frei bewegen, er darf das Land aber nicht verlassen.
Im September hat der zuständige Londoner Richter der Auslieferung zugestimmt, auch das Innenministerium hatte keine Einwände, jetzt liegt die Entscheidung beim Londoner High Court, den er angerufen hat.
Da gibt es noch keine Entscheidung.
Sollte Weinzierl aber in die USA ausgeliefert und dort angeklagt werden, dann wäre das erstens für die WKStA ziemlich peinlich, wie gesagt: die Amerikaner haben ihre Anklage seit 2021 fertig, die WkStA hat auch 2023 keine.
Für Weinzierl wäre es das deutlich unangenehmer.
In Österreich hätte er bei einer Verurteilung - es gilt natürlich die Unschuldsvermutung - keine zehn Jahre zu erwarten, in den USA sind es bis zu 70 Jahre Gefängnis.
Meine letzte Anfrage an die Meinl Bank war übrigens 2019, kurz bevor die Europäische Zentralbank den Stecker zog. Zum Ende hieß sie übrigens nicht mehr Meinl Bank AG, sondern Anglo Austrian AAB AG, was auch nichts mehr geholfen hat.
In der Anfrage ging es um Kreditgeschäfte mit Kunden aus Russland und aus der Ukraine.
Es kam eine knappe Antwort zurück und da stand im Wesentlichen drin, ich sei ein “williges Werkzeug” der Finanzmarktaufsicht.
Dem Finanzplatz Wien fehlt die Meinl Bank nicht wirklich.
Mir irgendwie schon.