Die Dunkelkammer – Der Investigativ-Podcast

#33 Dunkelkammer live: Mit Christian Kern in der Kulisse Wien

Episode Summary

Die 33. Ausgabe der Dunkelkammer ist zugleich eine Premiere. Erstmals haben wir eine Folge vor Publikum aufgezeichnet: Am 5. Oktober hatte ich den früheren SPÖ-Chef und Bundeskanzler Christian Kern auf der Bühne der Kulisse Wien zu Gast. Ein Gespräch über Verhaberung und Sittenverfall, Russland-Liebe und Vermögenssteuern, Doskozil und Babler.

Episode Notes

Zu diesem Gespräch liegt auch schon ein Transkript vor. Und zum genannten Trailer von "Kurz - der Film" geht es hier entlang   

Episode Transcription

Das Transkript des Gesprächs zum Nachlesen: 

Michael Nikbakhsh

Christian Kern, ich darf ihn vielleicht noch mal kurz vorstellen: Er ist Schauspieler, Jungschauspieler. Über den Film reden wir natürlich heute noch. Aber was machen Sie denn sonst noch so derzeit?

 

Christian Kern

Also das mit dem Schauspielen… ich muss sagen, ich hätte ein stabiles Vorbild, aber aus gutem Grund suche ich da nicht den Vergleich. Nein, also ich verkaufe Lokomotiven, wenn sie Lokomotiven brauchen – wir vermieten die, warten die Schrauben, tun das in ganz Europa. Das ist ein Geschäft, das ich liebe, weil das in der Tat so ist - also ich war zwar als junger Bub eher einer, der mit der Carrera Autobahn als mit der Märklin Eisenbahn gespielt hat - aber es ist etwas, was mich wirklich fasziniert und so voller Zukunft ist. Weil wir reden alle über Green Deal und Klimawandel. Und das ist einer der Antworten, die wir brauchen.

 

Michael Nikbakhsh

Ich habe gerade überlegt, wir haben jetzt schon zu wenig Platz in der Wohnung, wenn ich meiner Frau sage: „Du, wir stellen da jetzt eine Lokomotive hin“, wäre sie wahrscheinlich bedingt happy… Sie haben in ihrem Leben einiges gemacht und sind dann doch irgendwie immer wieder bei den Eisenbahnen zu landen gekommen, warum?

 

Christian Kern

Das hat eigentlich, wenn man so will, eine Karriere gegeben, wo ich jetzt mittlerweile - auf das bin ich stolz, da muss ich jetzt ein bisschen angeben - das dritte Unternehmen führe. Diesmal ist es eins, das internationale Eigentümer hat, also französische, die in London sitzen. Die größte europäische Versicherung, die zweitgrößte europäische Bank. Und das ist ein Geschäft, das wahnsinnig kompliziert ist, weil die Regulierung, die die Politik vorgibt, also die ganze Technologie dahinter, machen das Ganze sehr komplex und ich finde das hochinteressant, weil es so ein bisschen ist wie ein Schachspiel, man muss verstehen, was kommt, was ist hinter der nächsten Ecke, um es dann gut zu machen. Und das ist wirklich eine Leidenschaft geworden. Also ich finde Lokomotiven wirklich richtig gut.

 

Michael Nikbakhsh

Da gibt es einen Fachausdruck dafür.

 

Christian Kern
Ja, Pufferküsser. [Gelächter]

Michael Nikbakhsh

Den kannte ich nicht. Ich kenne den Fachausdruck ferrosexuell. [Gelächter]

 

Christian Kern

Sie sind vier Jahre jünger als ich, das liegt sicher daran. [Gelächter]

Michael Nikbakhsh

Es wird ihnen vielleicht aufgefallen sein. Wir beide sind tatsächlich nicht per Du, aber wir sind tatsächlich per Sie. Wir spielen das jetzt nicht, weil es in so einer Interviewsituation einfach schicklich ist, per Sie zu sein. Es ist nämlich in Österreich tatsächlich im Medienbetrieb, an der Schnittstelle auch zur Politik so, dass man sehr schnell per Du ist. Wir zwei sind das das nie geworden. Wir haben uns nie verhabert. Ich halte das für ein ganz zentrales Thema, mit dem ich gern einsteigen möchte. Nämlich die Verhaberung zwischen Politik und Medien. Das ist kein neues Phänomen. Aber wenn hier Sebastian Kurz mit einem Chefredakteur oder einer Chefredakteurin säße, wären die garantiert per Du, weil das einfach so war. Wie haben Sie’s da eigentlich gehalten?

 

Christian Kern

Na ja, ich habe es als junger Mann schon, wenn man so will, in diesem Geschäft gearbeitet. Fünf Jahre Bundeskanzleramt und Parlament und bin dann dort ausgeschieden. Habe damals viele Leute kennengelernt, die dann Karriere gemacht haben, Fernsehstars geworden sind, Radio Stars. Aus der Zeit ist das eine oder andere Du-Wort gekommen. Aber ich habe das immer wirklich unangenehm gefunden, weil ich halte diese Distanz sozusagen für eine Frage des Respekts, den man gegenüber der Rolle des anderen hat. Und der ist in Österreich völlig verloren gegangen. Also wir sind das Land, wo man sich in Alpbach nach 17 Achteln in der Birne verhabert und weinselig in die Arme sinkt. So schaut dann auch die Politik und der Journalismus aus, muss man sagen. Aber jetzt mal - wie gesagt das soll launig sein - also ich versuche das ernsthaft zu betrachten. Das ist ein wirklich großes Defizit in diesem Land. Das wird dann nicht die Distanz gefunden haben und die notwendige Abgrenzung der Rollen zwischen den einzelnen Playern in diesem System. Journalisten haben eine andere Aufgabe als Politiker. Und was wir erlebt haben, war immer schon so eine leichte Tendenz zur Korruption, die am Ende der zitierten Ära auf die Spitze getrieben worden ist. Wo Chefredakteuren versprochen worden ist, weitere tolle Karrieren im ORF, wo unvermittelt gedroht worden ist, man Wirtschaftskontakte genutzt hat, um unliebsame Chefredakteure rauszuwerfen – das ist dem Helmut Brandstätter beim KURIER passiert. Wo man jetzt auch gesehen hat, was da beim Profil passiert. Ich mein‘ das schafft, mir jetzt das Vergnügen mit ihnen da zu sitzen. Aber das ist eine extrem bedenkliche Entwicklung und ehrlich gesagt der Journalismus in Österreich hat ein externes Problem. Wir erleben gerade eine ökonomische Krise, die eine demokratiepolitische Herausforderung ist, aber sich doch ein inneres, wenn man so will, moralisches Problem eingetreten hat.

 

Michael Nikbakhsh

Ja, ich weiß das natülrich aus eigener Erfahrung. Die Selbstreinigungskräfte in Redaktionen haben massiv gelitten. Es ist eine Tatsache, dass viele Menschen in der Branche sich um ihren Job sorgen und im Zweifelsfall dann vergessen, wofür sie eigentlich da sind oder wozu sie sich eigentlich verpflichtet haben. Viele Redaktionen in Österreich haben ja Statuten, da ist ja die Unabhängigkeit definiert. Fast alle Medien schreiben unabhängig vorne drauf. Aber ich weiß jetzt aus eigener Anschauung und Erfahrung, dass das oft tatsächlich einfach nur eine Behauptung ist, eine leere Hülle.

 

Christian Kern

Was sehr lustig war - persönliche Anekdote: ich habe mich im Wahlkampf beschwert, 2017, bei einer wesentlichen österreichischen Tageszeitung, beim Chefredakteur und habe dem gesagt: „Sie sind ja embedded in die Kurz-Kampagne. Sie sind ja Teil, sozusagen, des ÖVP-Camps. Schreiben so und nennen sich unabhängige Tageszeitung auch noch.“ Und da gab es dann immer Diskussionen, das wollten die nicht hören und nachdem der Wahlkampf vorbei war, das Ergebnis so war wie’s war. Ist der dann gekommen, drei, vier Wochen später, und hat gesagt: „Ich hab jetzt eine unabhängige Untersuchung in Auftrag gegeben. Unsere Berichterstattung wurde überprüft, wissenschaftlich, und ich muss leider etwas zerknirscht sagen: Sie haben recht gehabt.“

Und ich hab ihn gefragt: „Heast, sind sie irre?“. Wir haben dann die Auflösung in den diversen Chats gesehen. Der Mann ist dort paar Mal zitiert worden, gab auch einen Reward, also eine Belohnung glaube ich, eine akzeptable… ja, so ist das halt in Österreich gelaufen. Aber immerhin hat er zumindest den Anflug eines schlechten Gewissens gehabt. Das glauben Sie nicht? [Gelächter] Ich eh auch nicht… [Gelächter]

 

Michael Nikbakhsh

Oder sagen wir so: kurz ein schlechtes Gewissen gehabt und dann musste er halt weitermachen…

Sie haben sich ja im Wahlkampf 2017 mit den Fellners angelegt. 

 

Christian Kern
Ja.

 

Michael Nikbakhsh

Und haben das gebüßt, oder wie haben Sie es empfunden? Stichwort: Prinzessin. Wie war das für Sie? Was ist da überhaupt passiert?

 

Christian Kern

Der Hintergrund der Geschichte war, dass - wie wir ja wissen, rund um diese Beinschab-Diskussion, wie mit Inseratenvolumina umgegangen worden ist - Österreich massiv von ÖVP geführten Ministerien alimentiert worden ist. Und dementsprechend hat die Berichterstattung ausgesehen. Und ich habe das dann da oder dort moniert und habe gesagt: „Versucht‘s doch wenigstens ein bisschen kritische Distanz zu bewahren“. Das war dann nicht möglich. Dann sind diverse Geschichten gekommen. Das mit der Prinzessin, ja, ich meine, jeder, der mich kennt, und mein Selbstbewusstsein reicht, also ich bin eher die Antithese zur Prinzessin. In Simmering aufgewachsen, also um Mitternacht mit nassen Fetzen geschult in diversen Duellen. Aber die Geschichte ist dann dahin gegipfelt, dass der Fellner dann tagelang geschrieben hat ich wäre in einen Korruptionsfall in Israel verwickelt. Er hat dann Zeugen, israelische, aufgerufen, und ich weiß nicht was, die Leute haben alle nicht existiert. Es war wirklich eine totale Fake-Story, die war meilenweit von der Realität entfernt. Und ich habe dem damals gesagt: „Ich habe es verstanden, ihre Botschaft. Aber wir beide werden keine Freunde mehr in diesem Leben“. Ich habe dann gesagt: „Okay, die Ministerien - da gibt es eine objektive Aufgabe - aber die SPÖ wird dort nicht mehr - da war ich der Chef, private Institution, da konnte ich das entscheiden - wird nicht mehr bei Ihnen inserieren. Sie brauchen mich auch nicht mehr einladen. Ich habe das jetzt auch jahrelang durchgehalten, weder im Blatt noch im Fernsehen. Interessiert mich dann nicht mehr ,und haben diese Auseinandersetzung geführt. Das Interessante war ja, dass ich die dann geklagt habe, wir haben vier Klagen geführt, meine Exfrau und ich, die da auch reingezogen worden ist. Es war an den Haaren herbeigezogener Mist, und es war dann tatsächlich so, dass alle Verfahren zu unseren Gunsten ausgegangen sind. Am Ende gab es dann eine Entgegnung in der Zeitung. Natürlich wochenlang, nachdem die Wahl entschieden gewesen war und dass war die Genugtuung, die man bekommen hat. Aber natürlich war das für den Fellner und die ÖVP-Spitze trotzdem eine Gaudi. Die haben mit fremdem Geld sich die Taschen vollgestopft und haben halt hinterher dieses Rechtsverfahren verloren. Schwamm drüber. Die Kosten Nutzen Relation war klar zu ihren Gunsten.

 

Michael Nikbakhsh

Warum stehen in Österreich so wenige Politikerinnen und Politiker auf, um gegen diese Form, ja zumindest der Nötigung, wenn sie von Zeitungsherausgebern und -herausgeberinnen, genötigt werden, zu inserieren um freundliche Berichterstattung zu bekommen? Das ist ja wirklich ein Problem, dem man sich stellen sollte…passiert aber nicht. Warum?

 

Christian Kern

Es ist ganz schwierig. Also Leute, die ich wirklich schätze in der eigenen Partei, die moralisch über Zweifel erhaben sind, sind in dieser Situation. Also ich will jetzt nicht darüber weinen. Wir haben genug Fehler gemacht, missverstehen Sie mich nicht. Die Wahl war nicht nur die Medien, sondern die ganze Migrationskrise, und noch viele hausgemachte Probleme. Aber die zweite Säule war die Kronen Zeitung. Also das war ja auch eine Kampagne, die von seltener Wut getrieben war. Es hatte dort sehr stark mit der Erbschaftssteuer zu tun. Da hat es eine Vorstellung gegeben mit der Eigentümerfamilie, dass man so was in Österreich nicht braucht. Wir haben denen, ich habe denen, damals kommuniziert: „Wir sind eine sozialdemokratische Partei. Wenn wir uns die Vermögensverteilung und das Steueraufkommen ansehen ist es klar, dass es in dem Land eine Erbschaftssteuer braucht, und den Wunsch können wir ihnen leider nicht erfüllen“. Und dann ist das am nächsten Tag losgegangen. Das war eine massive Intervention. Und damals war es so, dass Leute aus meiner eigenen Partei zu mir gekommen sind und gesagt haben: „Christian, komm‘, hör‘ auf, spiel‘ nicht den Michael Kohlhaas, sondern arrangiere dich mit denen“. Die haben mir dann angeboten, wer da alle einen Kontakt machen könnte und das Verhältnis wieder auflösen. Nur für mich ist es da um etwas Grundsätzliches gegangen. Und ich gebe zu, es ist mir immer wieder Eitelkeit nachgesagt worden. Aber in dieser Form habe ich die Eitelkeit wirklich, dass ich mich gefunden habe, ich lasse mich da jetzt nicht unterbuttern von Leuten mit einem moralischen Standpunkt, den ich unter jeder Sau finde. So ist das dann gekommen und war sicherlich, gemeinsam mit der Migrationsfrage, wahlentscheidend. Also wir haben sicherlich die Wahl - es waren dreieinhalb Prozent Unterschied zur ÖVP, es war relativ knapp - verloren, weil wir da gegen diesen Boulevard-Orkan angekämpft haben. Und natürlich auch in der Migrationsfrage, das eine oder andere bedingt, eine Position hatten, die in dem Land damals halt so nicht mehrheitsfähig war.

 

 

Michael Nikbakhsh

Wir wissen mittlerweile aus Chats und aus Ermittlungsakten, dass es ja umgekehrt, auf Seiten des Boulevards Richtung ÖVP offenbar die eine oder andere Absprache gab, die da lautete: freundliche Berichterstattung gegen Inserate, möglicherweise auch freundliche Berichterstattung gegen Novellierung des Privatstiftungsrecht, wie man es halt gerade braucht. Also dagegen hätten man ja wahrscheinlich ohnehin nicht ankommen können, also so viele Anzeigen hätte die SPÖ gar nicht aufbringen können, um das umzudrehen.

 

Christian Kern

Nein, das nicht. Aber wir hätten einen aufrechten Gang wahren können und ich weiß es noch gut…ich habe mal in einem Zeit Im Bild 2 Interview dann die Analyse getätigt und gesagt: „Ja, auch die SPÖ hat sich da nicht mit Ruhm bekleckert. Gerade in der Stadt, in der wir jetzt sind, ist es üblich, dass heute auch viel Geld in diese Richtung fließt“. Ich habe das ausgesprochen, hat mir wahnsinnige Feindschaften im eigenen Freundeskreis eingetragen. Wo die Leute das nicht hören wollten. Aber das ist genau der Punkt. Wenn du nicht die Konsequenz hast zu sagen: „Wir wollen das nicht mehr.“, und wir sehen Medien als Partner um unsere Demokratie zu erhalten und versuchen dann die ökonomischen Fundamente so zu legen, dass sie nicht sozusagen dem persönlichen Vorteil oder möglicherweise fast schon korrupten Motiven genügen. Dann haben wir wirklich ein wunderbares Problem. Ich zitiere Nikbakhsh: „Dann braucht man kein Orbanisierung mehr, dann betreiben wir die Parteien und die Medien eine Selbstorbanisierung“. Ich habe es von ihnen gestohlen. [Applaus]

 

Michael Nikbakhsh

Alles gut, alles gut. Die Politik soll sich nur an den klügsten Sachen bedienen können. [Gelächter]
Wobei richtigerweise muss man sagen, ihre politischen Ambitionen sind erledigt, oder? Oder planen Sie da auch? [Gelächter]

 

Christian Kern

Genau, also irgendwann zieh‘ ich mir dann plötzlich das Superman-Kostüm und mit Schwert zieh‘ ich ein in der Muthgasse und sag: „Nimm das – Schurke!“, na ja… [Gelächter]

 

Michael Nikbakhsh

Na, Sie könnten einen Film machen. [Gelächter]

 

Christian Kern

Nein nein, also das ist aus.

 

Michael Nikbakhsh

Apropos Film, vielleicht schauen wir uns kurz zur Einstimmung - das hat uns ja irgendwie da­­nn doch auch heute hier zusammengebracht - wenn ich die Technik bitten darf, diesen fantastischen Trailer für die, die ihn nicht kennen, nochmal abzuspielen.

 

Eine Anmerkung aus dem Studio. Wir haben den Trailer zum Kurzfilm im Theater gestreamt, aus rechtlichen Gründen spielen wir ihn im Podcast nicht aus. Abgesehen davon, ergibt ein Filmtrailer ohne Film, ja ohnehin auch kaum einen Sinn. Wenn ihr ihn nachsehen wollt, den Link zum Trailer findet ihr in den Shownotes. Und jetzt geht es zurück in die Kulisse.

 

Michael Nikbakhsh

Haben Sie den Film gesehen?

 

Christian Kern

Nein. Aber ich habe jetzt gerade festgestellt, bei dem Interview ist mein Hund ins Wachkoma verfallen. [Gelächter] Das hätte mir zu denken geben müssen. Und jetzt möchte ich noch wirklich eine Weltsensation enthüllen, wenn ich darf.

 

Michael Nikbakhsh

Ich bitte. 

 

 

 

Christian Kern

Also, der Arnold Schwarzenegger. Er ist ja wirklich eine beeindruckende Persönlichkeit. Ich war mit dem einmal unterwegs bei einem Skirennen in Kitzbühel. Die Leute haben gekreischt vor Begeisterung und er ist wirklich ein sympathischer Kerl, hat ein gutes Anliegen mit dem Klimawandel. Und hat mir eines Tages gesagt: „Christian, du bist der beste Bundeskanzler, den wir hier in Österreich hatten.“, ich schwörs. Ich habe mich wirklich gut gefühlt. [Gelächter] Bis zu dem Zeitpunkt, wo ich drauf gekommen bin, dass hat er dem Schallenberg und dem Nehammer auch gesagt. [Gelächter] Ist die Wahrheit, das ist wirklich die Wahrheit.

 

Michael Nikbakhsh

Es lustig, dass Sie den Schwarzenegger jetzt quasi aufs Tapet bringen, weil das war mein erstes Sentiment. Als ich den Trailer gesehen hab, mir gedacht: „Um Gottes Willen“. Und dann hat meine Mama mir gesagt: „Du bist in einem Kinofilm mim Schwarzenegger?“. [Gelächter] Sie haben den Film ja nicht gesehen, und was tatsächlich faszinierend ist: Sie haben da einen Satz in dem Trailer. Im Film haben Sie nicht mehr Text. [Gelächter] Ich auch nicht, übrigens. [Gelächter] Vielleicht nur, damit ich das jetzt kontextualisiere: Sie und ich und andere sogenannte Kritikerinnen und Kritiker sagen eigentlich recht wenig über Sebastian Kurz. Also Ihre hauptsächlich über die korrupten Verleger und die Anzeigenkorruption und, dass sich das Sebastian Kurz das zunutze gemacht hat, also quasi geschickt. Und Sie sind mehr so ein politischer Wegbegleiter [Gelächter] Ein Wegbegleiter, der Stationen seiner Karriere analysiert.

 

Christian Kern

Sehr lieb. Das ist eine super Männerfreundschaft. [Gelächter]

 

Michael Nikbakhsh

Die Steffi Krisper - die NEOS Abgeordnete, die in dem Film auch vorkommt – habe ich gefragt, ob sie nicht Lust hat, auch zu kommen. Sie hat gesagt, sie kann leider nicht. Sie ist heute bei einer Podiumsdiskussion auf der Sigmund Freud Universität zum Thema „Intrige“. Und ist kein Witz, wissen Sie, wer noch am Podium sitzt? Reinhold Mitterlehner. [Gelächter]

 

Christian Kern

Herrlich.

 

Michael Nikbakhsh

Haben Sie mit dem Reinhold Mitterlehner je Revue passieren lassen, was da so 2017 in ihrer beider Leben so passiert ist?

 

Christian Kern

Nein doch doch es war, glaube ich, wahrscheinlich für den Reinhold Mitterlehner persönlich noch ein größerer Schreck. Weil’s quasi aus den eigenen Reihen gekommen, ist aus der eigenen politischen Familie. Aber er hat sich ja selber auch erklärt, was er davon hält und da muss man großen Respekt haben, dass er das so benannt hat.

 

Michael Nikbakhsh

Projekt Ballhausplatz, quasi der Plan zur Machtergreifung in der ÖVP um dann von da an den Weg zum Bundeskanzleramt zu ebnen. Das bezeichnet Wolfgang Schüssel in diesem fantastischen Film als „Verschwörungstheorie“ und „Leute lieben halt Verschwörungen“.

 

Christian Kern

Ja, ich mein… Man muss das in aller Ruhe sehen. Und meine persönlichen Emotionen sind da echt nicht mehr ausgeprägt. Witzigerweise habe ich in einem bedeutenden Blatt, ich glaube es heißt Opinion Leaders Network, ein Interview gegeben. Und hab dann gesagt: „Ich glaube wir haben in Österreich das Problem, dass wir manchmal viel zu sehr in den Misserfolg von anderen verliebt sind als in den eigenen Erfolg.“, und in der nächsten Ausgabe - also man sieht, wie bedeutend das Medium ist -wurde dann Sebastian Kurz zum Interview eingeladen. wird dann darauf gefragt: „Christian Kern, ihr Vorgänger, hat gesagt, dass die Leute mehr Misserfolge als die eigenen Erfolge lieben“ Die Antwort des Sebastian Kurz war dann: „Wie immer sind wir ganz anderer Meinung“. [Gelächter] Also ich habe mir irgendwie gedacht, das ist Ausdruck persönliche Reife, weil ich suche ja immer, wo könnte ich dem irgendwo rechtgeben? Um irgendwie zu zeigen, ich bin ja versöhnlich und harmonisch und Staatsmann und nicht persönlich nachtragend... aber der ist da nicht ganz drüber hinweg.

Wobei wir nicht gecheated haben und das, was der Schüssel da so locker wegwischt, also jetzt jenseits vom Spaß, wir haben schon ein großes Problem. In einer Demokratie ist das Wichtigste, dass es freie und faire Wahlen gibt und einen transparenten Machtwechsel und was 2017 passiert ist, in dem Steuergelder missbraucht worden sind, in dem die Wahlkampfbudgets um mehr als das Doppelte sozusagen überzogen worden sind von der ÖVP… damit ist dieser Grundsatz dieser freien und fairen Wahl einfach mit Füßen getreten worden. Das ist eine ernste Sache. Da geht es jetzt wirklich nicht um mich persönlich, aber das ist etwas, was allen Demokraten durch den Kopf gehen muss, weil wir einfach von dem Prinzip leben, dass niemand über dem Gesetz steht, dass alle vor dem Recht gleich sind und dass jede Stimme sozusagen gleich viel zählt und nicht diejenigen den Ton angeben, die das Geld aufstellen können für ihre eigenen Interessen. Insofern ist das schon, was Schüssel sagt natürlich eine Verniedlichung, die so völlig unberechtigt ist, weil dann natürlich hier manifest Leute in ein politisches Projekt Geld investiert haben, die damit glasklare Interessen verbunden haben. Und das hat man ja dann auch gesehen bei der Handschrift, die diese Politik vom Zwölfstundentag abwärts bis zur Reform der Krankenkassen, der sogenannten „Reform“ ausgemacht hat. Das ist ernste Geschichte. Das Spannende ist nur, dass diese Populisten à la Kurz - und das ist ja ein Muster, der steht ja da in einer Reihe mit einem Trump, mit einem Erdoğan, mit einem Bolsonaro und so weiter - das die‘s schaffen, durch das Kreieren von Feindbildern, Leute dazu zu motivieren, gegen ihre eigenen sozialen und ökonomischen Interessen zu votieren. Die Steuerreformen, die ein Trump gemacht hat, waren nicht die, die im Rust Belt positiven Niederschlag gefunden haben. Oder die Politik, die die FPÖ betreibt. Ich mein, die sind gegen Mietpreisdeckeln, die sind gegen Vermögenssteuern und sind prosten dabei launig dem kleinen Mann im Bierzelt zu. Also das ist ja ein interessantes Phänomen und das ist halt möglich mit viel materiellen Aufwand und mit starken Bündnispartnern in der Medienlandschaft und ist gar nicht mehr so weit weg von Orbán. Ich will jetzt nicht zu lang reden, aber ein Punkt war schon noch bemerkenswert, wie das alles aufgeflogen ist. Und da muss man dem Kogler und den Grünen auch Respekt zollen, dass die das konsequent gespielt haben, damals beim Abgang, beim Tausch des Bundeskanzlers. Aber wie das damals aufgeflogen ist, ist die Frage, die mir durch den Kopf gegangen wär‘: Was wäre gewesen, wenn die noch drei oder vier Jahre weitergemacht hätte, mit diesem Land? Wer dann in der Justiz noch jemand gewesen, der eigentlich diese Vergehen, mutmaßlichen Vergehen, verfolgen hätte können? Wir wissen, die haben die Beamtenstruktur ausgetauscht, dann mit der Politik in die Justiz ihre eigenen Parteigänger reingesetzt, sie haben Medien sich gekauft in unterschiedlicher Form. Also alles das hat mit reifen Demokratien eigentlich nur noch herzlich wenig zu tun. Und wir können froh sein, dass es in dem Land noch so viel Selbstreinigungskräfte, auch journalistische, muss man sagen. Also den Journalismus mit Bausch und Bogen zu verdammen, ist falsch. Da gibt es auch viele, viele andere Beispiele - auch in der Kronen Zeitung, die ich kritisiert habe, gibt es da etliche. Aber das ist nun mal das Hauptproblem, das mit dieser Ära in Hand gegangen ist. Die sollte man nicht überbewerten, die Leute. Aber man sollte das System und das Prinzip sehen, das verheerende Auswirkungen haben kann.

 

Michael Nikbakhsh

Mein persönlicher Dank gilt in dem Fall Julian Hessenthaler, dem Regisseur des Ibiza Videos. Wir haben ihm einfach viel zu verdanken. Man muss das so sehen. [Applaus] Okay, aber jetzt haben Sie ja im Wahlkampf 2017 als SPÖ auch schmutzig gespielt. Stichwort: Tal Silberstein. Die Affäre um Social Media-Aktivitäten, die dazu dienten, quasi Sebastian Kurz schlecht aussehen zu lassen… hat‘s das wirklich gebraucht?

 

Christian Kern

Das war völlig vertrottelt. Der Silberstein ist ja der Dämon, der Gottseibeiuns des Dirty Campaignings geworden und das ist unentschuldbar, dass der eine verblödete Webpage gemacht hat - wo er übrigens abwechselnd Kurz und mich gebirnt hat, weil er gedacht hat, dass das für die Unabhängigkeit notwendig ist  – ich mein seid‘s ihr blöde? Das habe ich nicht verstanden ganz was das Konzept angeht. Aber der hat das gemacht, und das braucht man jetzt nicht schön reden, in einer völlig dilettantischen Form. Der hat 4.000 Follower zuwege gebracht mit dieser Plattform, völlig irrelevant. Und dabei wurde übersehen, dass wir parallel dasselbe drei, vier, fünf Mal auch von ÖVP-, FPÖ-nahen Quellen kreiert worden ist. Aber wir haben unsere moralische Unschuld verloren durch diese Vorgehensweise, diese botscherte und sinnlose. Jetzt muss man sagen, dazu kamen dann ja auch die Bilder, wo der noch verhaftet worden ist wegen einer Geschichte in Rumänien. Man muss sagen, der ist mittlerweile völlig freigesprochen worden, das ist in den österreichischen Medien nicht einmal eine Randnotiz gewesen. Aber ich will ihn nicht verteidigen, das wird er selber tun müssen. Aber es war mit Sicherheit, wenn man noch einmal schaut, wie das Dirty Campaigning auf der anderen Seite organisiert war, bis zu dem Fall, wo mir über einer Woche lang jeden Tag vier Seiten gewidmet worden sind wegen meinen Korruptionsvergehen in Israel, da muss ich sagen, im Vergleich dazu war der Tal Silberstein ein Sängerknabe.

 

 

Michael Nikbakhsh

Ja, ja, ich versuche mir vorzustellen, wie Sie noch happy in der Parteizentrale waren über das Dirty Campaigning des Tal Silberstein, während in der ÖVP alle happy waren, das ihnen der Boulevard gehört.

 

Christian Kern

Na ja, es ist wirklich die Wahrheit: ich habe nicht gewusst, was der gemacht hat. Das ist wirklich, ich kann Ihnen, ich habe das mehrfach gesagt, es gibt nur diese eine Version. Ich habe witzigerweise in einer Fernsehdiskussion von Sebastian Kurz erfahren, dass der ein Büro in Wien hatte, das war ernsthaft so. Das war auf ATV damals. Wir waren damals echt erstaunt, war aber die Wahrheit. Die haben ja damals Leute in die Kampagne eingeschleust, bei der alle unsere Umfragen, alle unsere Daten gehabt, wofür Silberstein zuständig war, diese Datenbände, Zielgruppen-Monitoring, und so weiter. Das war ja ein Kapitel für sich bemerkenswert. Das ist auch nie besprochen worden und hat aber dann in Summe zwei negative Auswirkungen gehabt. Weil erstens hat der Mann, muss man dazu sagen, der hat ja vorher die NEOS beraten, der war in der SPÖ Wien in der Bundes-SPÖ hat der Kampagnen gemacht, das heißt, der war ja eigentlich referenziert in dem Umfeld. So, dass man mit den arbeiten kann, aber der eigentliche negative Effekt war, der ist aus einer „Law and Order“-Mentalität gekommen und hat ideologisch her schon überhaupt nicht zu uns gepasst und zu dem, was wir für einen Politikansatz hatten. Und das war, glaube ich, der Grundfehler bei der ganzen Geschichte, weil der hat das Prinzip eingeführt und gesagt: schaut’s ihr müsst rausgehen in die Öffentlichkeit und das Wichtigste ist Image Building. Und das Dilemma der Politik ist ja, ich habe mal gesagt „95% ist Inszenierung“. Wenn du Politiker hast, die jeden Tag einen Kreisverkehr öffnen, um ihre Nähe zur regionalen Bevölkerung zu zeigen und die jeden Tag ein Baby küssen, um zu zeigen, dass sie kinderlieb sind und dann auch noch einen Baum umarmen, um mir ökologisches Bewusstsein zu demonstrieren. Wann machen die noch ihre Arbeit? Das ist ein bisschen das Problem, dass sozusagen auf einer populistischen Schiene mitgespielt wurde, die nicht zu uns gepasst hat.

 

Michael Nikbakhsh

Wie kann es sein, dass der Parteichef von sowas nichts weiß?

 

Christian Kern

Du bist. Ich hätte jetzt gesagt 48 Stunden pro Tag aber der Tag hat ja nur 24 Stunden, auf Achse. Bist in einer Wahlkampagne permanent draußen. Schaust, dass die Headlines einigermaßen passen und hast einen Apparat dahinter der eine Kampagne führt. Und vor dem Hintergrund war klar, dass wir sozusagen die Zielgruppen-Segmentierungen brauchen, die Fokusgruppen brauchen, die Umfragen brauchen. Dass viel mehr produziert worden sind und so weiter… aber dieser eine Aspekt war nie Gegenstand, wo ich bei einem Meeting oder sonst was dabeigewesen bin. Tatsächlich so. Lange her, aber es war so. Mein Gedächtnis ist scharf in der Hinsicht. Da shört sich nach einer Ausrede an, aber ich kann’s nicht anders darstellen.

 

Michael Nikbakhsh

Ja, das höre ich oft. [Gelächter] Kann man sagen die SPÖ war und ist vielleicht noch bis in die Neuzeit hin einfach schlicht auch schlechter gemanaged gewesen als zum Beispiel die ÖVP?

 

Christian Kern
Na mit Sicherheit. Das Dilemma ist, es hat eine massive Erosion der Strukturen gegeben. Wenn Sie meine politische Karriere nehmen: ich war lange aus der SPÖ, aus Funktionen weg. Damals als junger Bub dabei, als Sekretär im Parlamentsklub. War weder im Parteivorstand, weder noch irgendeine Form von Mandat gehabt. Und die SPÖ hat sich entschieden, den ÖBB-Chef zum Bundeskanzler und Parteivorsitzenden zu machen. Das zeigt ja eigentlich schon, wie dünn die Personaldecke, ich weiß es spielt jetzt nicht für mich, klar … [Gelächter] Aber die Wahrheit ist: Wir hatten ja keine Auswahl. Ich meine, die andere Alternative war ein ehrgeiziger, angegrauter Medienmanager mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein. Den wollte man nicht, habe ich verstanden, hab’s halt ich gemacht. [Gelächter] Der war so bösartig zu mir, dass ich das jetzt mache. Ich nenne keine Namen. [Gelächter] Sie wissen sicher nicht, von wem ich rede.

 

Michael Nikbakhsh

Ja ich spoiler‘ das jetzt auch nicht.

 

Christian Kern

Bitte. Nein, Schwamm drüber. Ist ja alles lächerlich.

 

 

Michael Nikbakhsh

Ist sie heute besser gemanaged, glauben Sie?

 

Christian Kern

Das war schon ein massiver Erosionsprozess. Die ÖVP hat sich massiv professionalisiert. Wenn du Sozialdemokrat bist, irgendwann in deinem Leben, hast du dich entschieden, aus bestimmten Werten und aus einem bestimmten Weltbild, Mitglied zu werden. Und für einen Sozialdemokraten und die Mehrzahl der Mitglieder ist sozusagen, wenn wir nicht den Himmel auf Erden errichten, alles, was wir erreichen, nichts. Das ist diese Wut, der Antrieb, die Welt besser zu machen vor dem ich großen Respekt habe und mich selbst auch bewegt hat und immer noch bewegt. Auf der ÖVP-Seite ist es so, dass Macht das eigentliche Ziel des ganzen Spiels ist. Und vor dem Hintergrund haben die sozusagen, während wir inhaltliche Diskussionen geführt haben - ich habe das in meiner Jugendorganisation erlebt… wir haben uns mit Fragen der Gesellschaftstheorie beschäftigt - während die versucht haben, Kondome zu verteilen und damit Wahlen zu gewinnen. Also das „Geilo-Mobil“ steht in einer Chronologie, sozusagen von halblustigen Initiativen der ÖVP Jugendorganisationen. Aber das hat zu einer massiven Vernachlässigung des Handwerks geführt. Gar keine Frage.

 

Michael Nikbakhsh

Wir werden eine Pause machen. Ich habe jetzt keine präzisen Anweisungen bekommen. 15 Minuten, 20, ich weiß es nicht. Gibt es irgendjemand Berufenen, der das beantworten kann? 20, okay. Es geht darum, dass wir noch möglichst viel Bier bekommen können, bevor wir weitermachen. Aber schon als gleitenden Übergang in Teil zwei, Stichwort: SPÖ Parteivorsitz. Da gab’s interessante Entwicklungen, wenn man Parteichef wird. Jetzt ist es ja, glaube ich, Andreas Babler. [Gelächter] Aber Sie waren Team Dosko.

 

Christian Kern

Ja.

 

Michael Nikbakhsh

Warum eigentlich.

 

Christian Kern

Weil ich für mich in einem Land nicht leben möchte, dass nochmal von schwarz-blau regiert wird. Also ich muss sagen, dieses Weltbild, das Peter Pilz auf den Punkt gebracht hat, „das Schnitzel kommt in die Semmel, die Frau an den Herd und das Geld der Steuerzahler in die eigene Kasse“… ist ja weniger humoristisch kabarettistisch, als man glauben mag, ist jedenfalls meine Erfahrung. Und vor dem Hintergrund - das ist jetzt der ernste Charakter -dass es mir um die Frage gegangen ist: Wie kann die SPÖ und das progressive Lager, und da rechne ich jetzt die Grünen, den NEOS, den Marco Pogo und alle möglichen dazu… wie können wir es verhindern, dass es nochmal eine schwarz-blaue Regierung gibt. Mein Eindruck ist, bei der erstbesten Gelegenheit gibt es eine gute Wahrscheinlichkeit, dass die ÖVP dieses Projekt wieder wiederholt. Das haben wir in Niederösterreich gesehen, dass wir in Salzburg gesehen, gegen jede Form der Beteuerung. Und selbst wenn Sie es nicht wiederholen, habe ich ja als Regierungschef erlebt, was das bedeutet, wenn du die ÖVP als Regierungspartner hast und du selbst keine Mehrheitsalternative hast, die aber immer die FPÖ im Hintergrund. Das führt nämlich dazu, dass du herzlich wenig und nur ganz mühsam deine eigene Politik durchsetzen kannst. Weil die einfach eine zweite Karte haben, die du selbst nicht spielen kannst. Weil für die SPÖ, bei allen Diskussionen, kann die FPÖ kein Partner sein. Und selbst wenn man das einmal einem Parteivorsitzenden unterstellt, der das moralisch wollte und ich sehe aber niemand in der SPÖ, der das will, dann würde das die Partei zerreißen. Und ich kenne niemand, der dieser Partei vorsitzt, der es riskieren will, dass sich die teilt und auflöst.

 

Michael Nikbakhsh

Und Sie waren der Meinung, Doskozil könnte Kickl eher verhindern als Babler?

 

Christian Kern

Meine Einschätzung war, dass man aus dem schwarz-blauen Lager mit Doskozil leichter Stimmen gewinnen kann als mit einem Babler an der Spitze. Aber der macht das jetzt und man kann nur hoffen, dass das gut geht. Und man wird sehen, wie sich diese Richtung weiterhin entwickelt. 

 

Michael Nikbakhsh

Aber der Doskozil, ich habe eine interessante Debatte geführt, ob man jetzt Doskozil oder Doskozil sagt oder was anderes, deswegen sagen alle Dosko, ja? [Gelächter] Der gibt keine Ruhe, warum ist das so?

Christian Kern

Ich finde, das ist, das ist, finde ich nix… [Gelächter] Nix, was ich kommentieren will. [Gelächter]

 

Michael Nikbakhsh

Fantastisches Schlusswort für den ersten Teil, oder? 

 

Christian Kern

Das werden lautlose 45 Minuten.

 

Michael Nikbakhsh

Ja genau. Vielen Dank fürs Zuhören. Wir machen jetzt 20 Minuten Pause und dann machen wir weiter. Danke schön.

 

PAUSE

 

Michael Nikbakhsh

Das simma wieder. Vielen Dank, ja Christian Kern. Reden wir doch über 2024. Wir wählen, wer weiß, wann? Stand Jetzt, im Herbst. Die SPÖ unter Andreas Babler will jetzt Kante zeigen. Sieht man ja, siehe die Vermögenssteuer-Debatte. Was macht das mit Ihnen? Sie sind ja tendenziell eher ein Mann des Geldes. [Gelächter] Wenn jetzt in der SPÖ Funktionäre auf Leute wie den Mark Mateschitz zeigen, in der Vermögenssteuer-Debatte und sagen: Puh, schaut, schiach, reicher Erbe. [Gelächter]

 

Christian Kern

Also ich finde es hat schon lichtere Momente gegeben. [Gelächter] Weil das Dilemma ist ja, dahinter steckt ja eine richtige politische Analyse. Wenn ich mir das Steueraufkommen in Österreich ansehe, ist es nun mal so, dass wir bei den Lohn- und Einkommensteuern einer der absoluten Hochsteuerländer sind. Das heißt, die sogenannten „Leistungsträger“, also die, die arbeiten gehen, denen wird einfach viel abgeknöpft von dem, was sie erwirtschaften und auf der anderen Seite unterproportional wenig den wirklich Vermögenenden. Dass wir keine Erbschaftssteuer haben ist eine Anomalie. Also das Anliegen unterstütze ich absolut, das ist überhaupt keine Frage. Ich glaube nur, wenn man anfängt Sündenböcke zu suchen, dann ist das keine gute Entwicklung. Weil wir erleben ja mittlerweile, dass sich die politische Mitte komplett auflöst, die politische Vernunft komplett auflöst und durch eine Sündenbock-Ideologie ersetzt wird. Und das ist nicht gut. Ich verstehe schon auf den groben Keil kommt ein grober Klotz und FPÖ und ÖVP haben ihre stabilen Feindbilder, dass man da versucht, das klarer zu machen. Aber es führt zu nichts Gutem, weil am Ende… also meine These ist ja: das Verheerendste sind ja gar nicht so sehr die ideologischen Konflikte, bleiben wir bei dem Nehammer und seinem Video. Es war gut, dass das benannt worden ist, was das ist. Das ist logisch, dass die Opposition das sozusagen zum Thema gemacht hat. Es wäre naiv zu glauben, dass das ist nicht passiert. Und anhand solcher Wertediskussionen wird um die Hegemonie im Land gekämpft. Woll‘ ma mehr empathische Politik, die alle mit einschließt oder versuch‘ ma sozusagen, diesen Ellbogen Egoismus wirken zu lassen und hoffen, dass das zu irgendwas führt… das ist eine gute Debatte. Aber wenn man heute über Armut in Österreich reden, dann hätte ich, nachdem wir dieses Kapitel durch haben, gerne gewusst: aber was machen wir jetzt? Weil es ist ja ein komplexes Thema. Wenn ich mir die Armutsentwicklung in Österreich anschaue, dann sehe ich, es gibt zwei Gruppen die besonders gefährdet sind: das eine sind Frauen, Alleinerzieherinnen vielfach, und das andere sind Migranten. Und wenn das der Fall ist, dann muss ich mir als Erstes einmal den Kopf darüber zerbrechen, wie macht man mit den Kinderbetreuungseinrichtungen in Österreich weiter? Warum gibt es keinen Rechtsanspruch? So war das Projekt, das ich mit dem Mitterlehner schon vereinbart hatte, dass bekanntermaßen damals Sobotka, Kurz und die ÖVP sabotiert hat. Aber das ist wichtig, weil natürlich ist das kein Frauenthema, sondern ein Familienthema.

Aber die gesellschaftliche Realität ist, dass die Frauen das ausbaden, wenn es das nicht gibt. Dann müsste ich mich als nächstes mit der Frage beschäftigen: viele Frauen sind in Branchen mit schlechten Löhnen, wie geht man mit den Mindestlöhnen um? Reicht uns das, was wir in Österreich haben, um Leuten ein anständiges Leben zu gewähren? Und dann musst du dich als Drittes mit der Frage beschäftigen: wenn jemand arbeiten geht, wie sorgen wir dafür, dass der mehr am Ende des Monats tatsächlich aus seiner Arbeitsleistung herausbekommt? Nämlich indem wir Steuern und Abgaben reduzieren. Bei den Migranten ist es dasselbe widerum. Das Integrationsjahr, wir haben immer versucht, die Leute, die da sind, die Realität sind - weil die Rückführung nun mal teilweise eine Illusion ist, die kann man den Menschen einreden, aber sie findet ja kaum statt, aus verschiedenen Gründen und nicht aus Mutwillen, sondern weil es wirklich in der Tat juristisch und menschenrechtlich schwierig ist – aber man muss dafür sorgen, dass die Leute rasch einen Beitrag zur Gesellschaft leisten können. Und wir haben damals ja in der Regierung ein Programm gemacht, mit der Muna Duzdar, wo wir 150 Millionen investiert hätten in Spracherkennung, berufliche Ausbildung, das ist alles gestrichen worden. Aber ich will jetzt nicht ins Detail gehen von Politiken, sondern mir geht es einfach darum, dass ich gerne als Staatsbürger wissen würde: okay, wenn wir für die Armutsbekämpfung einstehen, wie machen wir das eigentlich genau? Wenn der andere sagt, er will, dass die Leistungsträger mehr profitieren, hätte ich gern gewusst: wie macht er das genau? Aber am Ende ist es so, dass diese politische Polarisierung jede politische Idee ersetzt, weil es ja gar nicht mehr notwendig ist, den Leuten eine Perspektive zu geben. Wir haben heute nur noch die Situation, dass den Menschen keine Hoffnung gegeben wird und ihnen kein Weg gezeigt wird, wie Probleme gelöst werden, sondern wir nur noch Schuldige suchen. Und das, glaube ich, ist nicht gut, wenn man das betreibt und das gilt ausnahmslos für alle Parteien.

 

Michael Nikbakhsh

Was macht die SPÖ da, wenn sie mit dem Finger auf einzelne zeigt und sagt: „Schaut’s, reiche Erben!“, macht ihr da das, was die FPÖ vorlebt? Also kopiert ihr da die FPÖ?

 

Christian Kern

Also ich glaube, das sind schon große Unterschiede. Ich glaube, diese Individualisierung… ich habe da ein Unbehagen dabei. Ich finde es nicht gut. Ich bin nicht mehr Parteivorsitzender, ich bin nicht mehr in der Rolle. Ich glaube, ich möchte es nicht weiter auswälzen, ich habe meine Meinung jetzt gesagt dazu. Das ist eine zweischneidige Geschichte, weil wir müssen ja wieder versuchen, das Miteinander zu stärken und nicht das Gegeneinander. Wir haben ja kein Interesse miteinander oder in unserer Gesellschaft, dass wir dann nur noch aufeinander losgehen. Ich würde mir mehr positive Visionen wünschen.

 

Michael Nikbakhsh

Dann passt das nächste Stichwort sicher dazu: Russland [Gelächter] Die FPÖ und Russland. das ist symbiotisch, schon lange Zeit, aber das geht ja weit darüber hinaus. Ich beobachte doch eine ausgeprägte Russland-Liebe im österreichischen Politbetrieb und darüber hinaus. Sie selbst waren im Aufsichtsrat der russischen Staatsbahn. Eine ganze Reihe von ehemaligen Politikern hat‘s zu russischen Unternehmen gezogen. Ich habe mich mal mit der österreichisch-russischen Freundschaftsgesellschaft beschäftigt. Das ist eine Eventagentur… [Gelächter] wo man immer wieder zusammenkommt zu Festivitäten, zum Gedankenaustausch. Da waren Politiker fast aller Couleurs im Laufe der Zeit dabei. Sie nie?

 

Christian Kern

Na.

 

Michael Nikbakhsh

Der Kollege Matznetter war da lange Zeit dabei, und dann haben sie sich auch irgendwann gespalten. Woher kommt das?

 

Christian Kern

Also erstens einmal, was da passiert, ist eine Tragödie. Und es ist klar, auf wessen Seite wir zu stehen haben und wen wir zu unterstützen haben in dem Konflikt, das ist völlig außer Streit. Das Wesen der Politik aber ist immer auch..ich glaube, wenn man Politik versucht zu analysieren, dann ist das ein Denken in Alternativen. Und ich glaube, man muss sich vor Augen führen, was bestimmte Handlungsalternativen sind, die man in Wahrheit hat. Das ist oft weniger, als man glaubt. Was den gegenständlichen Fall betrifft, hat einerseits sicherlich einen historischen Bezugspunkt, das ist keine Frage. Die Russen haben den höchsten Blutzoll im Zweiten Weltkrieg erlebt. Die Russen waren die, die sozusagen die Nazis auch wirksam bekämpft haben. Haben den Staatsvertrag zugelassen gegen die Neutralität. Da gibt es eine Vielzahl von historischen Touchpoints. Aber die eigentliche Entwicklung war ja eine andere nach 1989, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Und jeder, der in Wien aufgewachsen ist, weiß das und hat gesehen, wie sich die Stadt verändert hat. War sozusagen das, was uns ausgemacht hat, dass wir die wirtschaftlichen Chancen in Osteuropa konsequent genützt haben. Und die österreichischen Unternehmen, die Banken und die Versicherungen in erster Linie sind ja nicht nur in Russland gewesen, die waren in der Ukraine, die sind am Balkan gewesen, die sind in Polen gewesen, in Tschechien gewesen, in der Slowakei und so weiter. Das war ein Geschäftsmodell, dass man sozusagen, die Position der Neutralität nützend, nicht nach moralischen Kategorien fragend, einfach seine Geschäftsinteressen durchgesetzt hat. Und jetzt muss man sagen, ob es einem gefällt oder nicht: das hat natürlich den Wohlstand -jeder, der Wien kennt, weiß, wie sich‘s verändert - hat den Wohlstand in unserem Land schon ein neues Fundament gegeben. Wir haben in der Zeit die Deutschen im Bruttoinlandsprodukt pro Kopf überholt, weil das sozusagen unsere Emerging Markets waren, in denen wir Wirtschaft betreiben konnten. Die zweite Entwicklung war natürlich die sicherheitspolitische. Wir haben es mit Russland immer mit einem Land zu tun gehabt, das zehntausende atomare Sprengköpfe in Europa installiert hatte und die Europa unmittelbar bedroht haben. Mit seinem Land musst du dir gut überlegen, ob du in einen Konflikt, in eine Konfrontation gehst oder versuchst, einen Weg zu finden, um die einigermaßen in eine Interessenskonstellation einzubetten. Und was die Einschätzung war, die hat sich als Irrtum herausgestellt, dass man sozusagen durch dieses „Wandel durch Handel“-Prinzip, indem man sagt okay, wir arbeiten gemeinsam und ihr habt was zu verlieren, wir haben was zu verlieren, also verhalten wir uns doch alle miteinander so vernünftig, das es nicht weniger, sondern mehr wert wird für alle. Das haben die Russen durch diesen Wahn, der da verfolgt worden ist, zerstört. Jetzt muss man sagen, ich war im Aufsichtsrat der russischen Bahn, das hatte keinen politischen Hintergrund, sondern das kommt aus meiner Zeit als Bahnchef. Wir haben damals gearbeitet, daran, den Güterverkehr von China nach Europa auf die Schiene zu bringen. Also das ist ja politisch gewünscht. Wir wollten, dass weniger CO2 emittiert wird, dass weniger dreckige Schiffe, die Schwefel emittieren und dass weniger Flugverkehr ist für den Cargo Markt. Das war eigentlich eine logische Entwicklung, von der alle Enden, wenn man so will, profitiert hätten und solche Projekte hat’s einige gegeben. Wenn man diese Abhängigkeit vom Gas sieht, muss man das auch insofern ein bisschen relativieren, weil das, was bis 2022 passiert ist, war ja auch eine logische Konsequenz der Geografie. Weil wenn man sich anschaut, die Länder und ihren Anteil am russischen Gas, den sie genommen haben. Ja logisch, je weiter ostwärts, desto höher ist dieser Anteil gewesen. Die Spanier haben keine Verbindungen gehabt, aber die Österreicher, die Slowaken, die Ungarn, die Bulgaren, und so weiter natürlich wesentlich mehr. Dass wir jetzt final noch nicht die Konsequenzen daraus gezogen haben, immer noch nicht, ist es schwieriger Diskussionspunkt, weil wir haben die Situation, dass wir mittlerweile die Russen haben glaube ich, mit 6 % vom Bruttoinlandsprodukt fürs nächste Jahr angekündigt, dass sie in Rüstung ausgeben werden. Ich glaube, es braucht keine Raketenwissenschaft, um zu wissen, was damit passieren wird. Wir sehen, dass in Amerika möglicherweise jemand wie Trump zurückkommt und jetzt, dass man den Chairman des Kongress rausgeworfen hat - führt dazu, dass die Ukraine-Hilfe reduziert wird. Europa muss sich vorbereiten, dass wir diesen Konflikt auch möglicherweise mit weniger oder garkeiner amerikanischen Unterstützung noch einigermaßen in Bahnen führen können. Wir tun‘s aber nicht. Das ist sozusagen der Teil, der wahrscheinlich am schwierigsten im Moment verständlich ist, weil aus Fehlentwicklungen zu lernen ist das, was man erwarten muss. Ich habe das mit Angela Merkel einmal diskutiert, als Polit-Pensionisten quasi. Die ist da relativ outspoken auch, weil ich sage es noch einmal, das Denken in Alternativen, was wäre sozusagen die Konsequenz gewesen? ‘14 nach der Krim war man zu weich, keine Frage. Wir Österreicher haben uns besonders bekleckert mit der Hypothese, dass die Sanktionen zu harsch sind und uns schaden. Aber ich habe ja genau erlebt wie dieses Gesprächformat zwischen den Franzosen, den Deutschen und den Russen. Man versucht hat, hier eine Befriedung zu schaffen, und das war eine Friedensinitiative, wo man nicht mit militärischer Drohung weil wir es ja auch gar nicht konnten und die Amerikaner hier nicht eine große Rolle gespielt haben und in der Lage gewesen sind, Potenzial auszuheben. Aber, dass wir so eine besondere Russland-Liebe gehabt hätten hier in Österreich das habe ich nicht gesehen.

 

Michael Nikbakhsh

Ich würde gern mit einem Zitat von Ihnen selbst konfrontieren vom 22. Februar 2022. Das wissen sicher nimmer. [Gelächter] Aber das Archiv vergisst ja nicht. Salzburger Nachrichten, 22. Februar 2022. Zwei Tage vor Kriegsbeginn. Damals sagten Sie-

 

Christian Kern

Ich weiß es ganz genau.

 

Michael Nikbakhsh

Also, wissen Sie es noch.

 

Christian Kern

Na sicher.

 

Michael Nikbakhsh

Also Sie wissen jetzt, was kommt oder?

 

Christian Kern

Deshalb auch meine Einleitung. [Gelächter] Ich habe lernen müssen aus der Vergangenheit.

 

 

Michael Nikbakhsh

Also Sie haben mir jetzt ein Hölzl gelegt, dass ich Sie was depates fragen kann? [Gelächter]

 

Christian Kern

Nein ich befürchte, dass Sie was depates fragen werden. Ich wollt’s vermeiden aber… [Gelächter]

 

Michael Nikbakhsh

Achso, okay.. naja jetzt habe ich das Papier schon da. Also, damals sagten Sie in den Salzburger Nachrichten zwei Tage vor Kriegsbeginn, mit Hinweis auf die damals drohenden EU Sanktionen gegen Russland unter anderem - ich zitiere das jetzt – „Diese Rhetorik, also in dem Fall die Rhetorik der Europäer, diese Rhetorik der Zuspitzung und der donnernden Faust, wo soll denn das hinführen? Sanktionen haben bestenfalls symbolische Wirkung. Einen Regime- oder Politikwechsel können sie nicht bewirken. Sanktionen können nur eine ultima Ratio sein, sie stehen am Ende des Prozesses und nicht am Beginn“. Noch ein zweites interessantes Zitat, da ging es um den historischen Kontext der NATO-Osterweiterung. Da haben Sie gesagt: „Wenn Sie länger zurückblicken, ist nicht alles an der russischen Argumentation falsch“. Da hat jetzt jemand im Publikum ja gesagt, was sagen Sie?

 

Christian Kern

Also das erste, die Realität hat ja gezeigt, dass wir mit den Sanktionen die Russen nicht in die Knie zwingen. Wir sehen, dass die einen Bruttoinlandsprodukt-Einbruch haben, der marginal ist. Wir sehen, dass die Supermärkte nicht leer sind. Wir sehen, dass die Flugzeuge fliegen. Wir sehen, dass die sogar ihre Computerchips bekommen, weil Länder, die heute in der Front stehen und sich besonders deutlich für Waffenlieferungen auszusprechen, gleichzeitig zulassen, dass Computerchips über ihr Territorium nach Russland geliefert werden. Stichwort: Baltische Staaten, das ist ein matter of fact, also das ist nicht interpretierbar. Und dass in Wahrheit auch die Solidarität, was den Preisdeckel beim Öl betrifft, nicht gut funktioniert. So, ich habe aber gesagt, das steht am Ende eines Prozesses. Das halte ich für das alternative Los. Ich bin der Meinung, wenn wir das schon tun, dann müssen wir das viel, viel strikter durchsetzen, als wir das damals getan haben. Nur die Fehleinschätzung ist ja gewesen, dass die Russen - das war die allgemeine Meinung damals - es nicht tun werden, weil sie nun mal so viel zu verlieren haben und wenig zu gewinnen. Ich erinnere im Jänner, also zwei, drei Wochen davor, hat Selenskyj noch gesagt, die Amerikaner sollen aufhören, weil die Wirtschaft wird vergrätzt und das ist hysterisches Gerede und das wird alles nicht passieren. Ich gehe davon aus, dass der genug Intelligenz auf seiner Seite hatte, die ihn zu dieser Einschätzung geführt hat. Nein, das war eine Fehleinschätzung, weil keiner sich vorstellen konnte, dass es dazu kommt. Weil‘s völlig irre ist. Weil der Mann sein eigenes Land ruiniert, der seine Generationen an jungen Russen verheizt. Es ist bedrückend und ich kann nur sagen, mir hat’s den Magen umgedreht damals, weil ich dieses Land gekannt hab‘. Oft auch in Moskau gewesen bin, gesehen habe, wie viele junge Leute dort waren, die was ganz anderes wollten als diesen Krieg und es ist entsetzlich, dass ein Despot Generationen in derartige katastrophale Verhältnisse führen kann. [Applaus] Das zweite Zitat war, Sie kennen die Diskussion mit Baker und Genscher, das ist jetzt interessanterweise kürzlich auch historisch aufgearbeitet worden, rund um die NATO-Osterweiterung beziehungsweise die Deutsche Einheit. Da gab es ja die Diskussion mit den Russen, dass es keine Erweiterung mehr gibt. Das hat damals der Präsident Bush zurückgepfiffen, der hat dann den Kohl auch zurückgepfiffen. Also das war nicht ganz falsch historisch, dass diese Signale damals so erteilt worden sind. Im Nachhinein muss man sagen, das ist wurscht, weil es rechtfertigt, dass was da passiert ist, unter keinsten Umständen.

 

Michael Nikbakhsh

Putin verwendet das NATO-Argument ja nach wie vor um das zu legitimieren. Mit einer Prognose haben Sie in dem Interview dann doch Recht gehabt. Sie haben gesagt:“ Wenn wir heute über die zu hohen Energiepreise in den Haushalten und in der Industrie klagen, dann lautet meine Prognose: Das ist erst der Beginn, und das wird noch viel dramatischer. Das ist eine Bedrohung unseres Wohlstands und von hunderttausenden Arbeitsplätzen in Europa“. Das war jetzt nicht ganz falsch.

 

Christian Kern

Das war leider wahnsinnig richtig, weil das ist ja das Ärgerliche dran. Ich habe ja quasi Elektronen im Blut und nicht nur Eisenbahnen quasi als Liebe. Ich komme aus der Energiewirtschaft, habe dort ursprünglich viele Jahre meines Berufslebens verbracht. Aber du hast ja gesehen, was sich da aufbaut. Energie ist nun mal der Rohstoff und der Blutkreislauf unserer Wirtschaft. Wenn die Energiekosten auf ein Niveau steigen, wo wir viermal so teuer sind wie etwa in China und achtmal so teuer wie in den USA und wir leben in einem globalen Wettbewerb, dann ist klar, dass das irgendwann einmal Wirtschaft, Haushalte und zu riesigen sozialen Verwerfungen führt, weil die das alles nicht mehr verkraften können. Dann war auch klar, dass Energie, die in dem gesamten industriellen und gewerblichen Produktionsprozess drinsteckt, alles verteuern wird und dass es dann dementsprechend zu Inflationsentwicklung kommt. Dann - entschuldige das ist jetzt keine Besserwisserei, ich hab’s mehrfach gesagt und es hat mich wirklich geärgert - ist die nächste Folge, dass die Mieten steigen werden. Wenn die Mieten steigen, die Inflation sich weiter in eine Spirale begibt, müssen die Löhne weiter steigen. Dann geht die Inflation logischerweise auch nicht schneller runter. Dann ist die Konsequenz, dass die Zentralbanken reagieren. Das heißt, die Zinsen gehen in die Höhe. Das bedeutet wiederum Unternehmen werden weniger investieren können, Immobilienkredite werden kaum mehr möglich werden. Leute, die ein Auto geleast haben, werden höhere Raten zahlen. Die Menschen werden sich ihr Leben nicht mehr leisten können. Meine Kritik ist da ja gewesen, dass das in Wahrheit, ich verwende das Wort ungern weil‘s oft so platt ist, aber wirklich eine völlige neoliberale Fehlkonstruktion war. Das Problem ist in der Anfangsphase haben jaa nicht die Russen das Geschäft gemacht, sondern wir haben ja gesehen, dass die Importpreise 1/5 dessen waren, was in den Börsen gehandelt worden sind. Weil dahinter steckt das System von Energie, Händlern und Tradern, die kennen sich alle. Das sind Leute, die bei Goldman Sachs sitzen, bei Karkehl sitzen, bei Glencore und so weiter…die dort ein Geschäftsmodell betreiben, die Energiepreise in die Höhe zu jagen, Gas kaufen und mit drei Monate Verspätung um den fünffachen Preis dann weiter. Hier geht es ja sozusagen darum, dass wir sagen hätten müssen: der Markt regelt das nicht, wir müssen da einschreiten, wir brauchen aktive Politik. Die Politik hat aber immer gefunden, sie ist nicht verantwortlich und das wird schon nicht so schlimm kommen. Und heute haben wir die ganze Malaise, weil das führt ja bis zur Gefährdung unserer demokratischen Grundfeste. Diese Verunsicherung, die sich in unsere Gesellschaft frisst, in die Mittelschicht, die plötzlich Abstiegsängste haben, im höchsten Stil, den nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen. Das ist ein breites Phänomen in unserer Gesellschaft geworden. Das war das etwas, was mich wirklich beängstigt hat und ich habe versucht, Gesprächspartner zu finden. Ich habe das Vergnügen gehabt es mit dem Thierry Breton in Brüssel zu diskutieren, auch in Österreich. Da haben alle den Kopf mit dem Borrell geneigt , haben gesagt: du hast völlig recht, aber was machen wir jetzt? Oje, oje, oje. Aber in Wahrheit hätte man da entschlossen politisch handeln müssen. Es wäre komplex gewesen, es wäre aufwendig gewesen. Aber das mein‘ ich ja, es macht ja keinen Sinn, wenn wir sagen okay, unser Problem ist der Herr Mateschitz. Unser Problem sind strukturelle Dinge und da kannst du den Unternehmern keinen Vorwurf machen. Weil das der Verbund sozusagen das Geld mitnimmt, was er kriegt, ist irgendwo nachvollziehbar. Aber das die Politik das zulässt, das ein Unternehmen, das im staatlichen Besitz ist, auf dem Rücken der Eigentümer, nämlich der Österreicher und Österreicherinnen, diese völlig obszöne Profite macht. Das ist nicht in Ordnung. [Applaus]

 

Michael Nikbakhsh

Das Verstörende daran ist ja, dass der Energiesektor in Österreich, was die Stromerzeugung betrifft, ja faktisch tatsächlich fast ausschließlich mehrheitlich im Eigentum des Staates ist. Gemeinwohl der Länder, soweit es den Verbund betrifft, eben des Bundes. Was hätten Sie, Sie waren ja Verbund-Manager, was hätten Sie als Verbund-Manager Christian Kern einem Bundeskanzler Christian Kern gesagt, der anruft und sagt: So geht das nicht. [Gelächter]

 

Christian Kern

Na das hätte ich zur Kenntnis genommen, weil ich hätte gewusst, dass er die Regulierung ändern kann. Weil das ist ja eine Illusion. Wir haben so getan, als ob es den freien Markt gibt, die freie Marktwirtschaft. Aber es gibt per se keinen freien Markt, der ist immer politisch gestaltet. Politik macht die Rahmenbedingungen. Das ist ja evident und klar. [Applaus] In einer Situation, wo wir wirklich auf einer brennenden Plattform sind, kann man sich's nicht gemütlich im Sonnendeck machen, sondern da muss man politisch handeln. Das Ergebnis wäre zu sagen: Hör mal mit dieser Fehlentwicklung liberalisierten Energiemärkte auf, gehen wir zu einem regulierten System wieder zurück. Das, was die Spanier gemacht haben, was die Schweizer gemacht haben - die Schweiz hat nur 1,7 % Inflation gehabt, während wir bei 9 % waren. Man sieht ja, dass man handeln kann, aber wir haben uns das nicht getraut. Aber auch, weil wir nicht in der Lage waren, verstehen Sie das jetzt nicht als intellektuelle Hybris, die richtigen Analysen zu tätigen. Weil die Politiker haben dann beim Verbund Vorstand angerufen und haben gesagt, wie seht ihr denn das? Und die haben nicht viel gesagt, haben aufgelegt und sind am Boden gelegen vor lauter Lachen und haben sich dann überlegt: Hol mir den Finanzvorstand, damit uns der die Gewinne versteckt. Ja, so ist es gewesen. Die haben dann mal drei, vier ihre Gewinnbasis erhöht ist und 300 % mehr Gewinn gemacht. Und meine feste Überzeugung, ich kann das auf einem Blatt Papier vorrechnen, es war noch viel viel mehr. Dann hat man dann Abschreibungen erhöht und was man alles so tut um Geld in der Bilanz zu verstecken. Aber die Leute haben’s gepeckt.

 

 

Michael Nikbakhsh

Bis heute.

 

Christian Kern

Bis heute.

 

Michael Nikbakhsh

Mir fällt auf, dass die Politik auch in Österreich, gerade in Österreich, immer dann, wenn es ein bisschen kompliziert wird, immer auf Europa verweist und sagt: es braucht eine europäische Lösung! Da weiß man genau, das wird überhaupt nichts. [Gelächter]

 

Christian Kern

Ja es ist in der Tat so. Also ich schlage mich gerade herum mit dem Thema, also ich bin ja, unter anderem nebenberuflich also quasi als Hobby, im Aufsichtsrat eines Unternehmens, das in der Solarindustrie ist. Da haben wir das Problem, dass wir diesen Sektor aufbauen wollen. Weil wir brauchen das, wir wissen es ist die billigste Form, Energie zu erzeugen und wollen sozusagen nach der Lektion, die uns Russland gelehrt hat - nämlich dass wir nicht zu abhängig sein dürfen - diese Abhängigkeit von chinesischen Solarpanele-Produzenten reduzieren. Da ist die Idee, dass haben alle erklärt: österreichische Politiker, deutsche Politiker, europäische Politiker. Realität ist: wir sind die einzigen, die keine Einfuhrzölle für diese chinesischen Paneele haben, die mit massiven Subventionen einhergehen. Na ja, was machen die… nach Amerika kommen’s nicht, nach Indien kommen‘s nicht, nach Südamerika kommen’s nicht… Holladrio, Europa steht uns offen. Das Ergebnis, dass die Produktion in Europa von Solarpanelen de facto nicht mehr möglich ist. Die kaufen sich den Markt, die gehen da ganz aggressiv vor. Dasselbe tun sie jetzt bei den Elektroautos, dasselbe tun sie bei der Batterie-Produktion was eine Schlüsselindustrie ist, um die Klimawende zu schaffen. Und was ist die Intention? Naja logischerweise, sich den Markt zu kaufen und irgendwann diese Abhängigkeit auszunützen, und sei es nur, indem man Preise erhöht. Wir haben in Europa da eine Naivität, die immer noch getrieben ist von der Idee „der Markt wird’s schon irgendwie regeln“. Tut er aber nicht, weil wir kommen mit einem Taschenmesser zu einem Maschinengewehrgefecht.

 

Michael Nikbakhsh

Vor allem ist der Markt ja nichts Abstraktes. Der Markt sind wir alle, nicht? Und wenn wir alle es so nicht mehr wollen, sondern anders, dann könnten wir es ja machen. Aber ich bin offenbar zu naiv dafür.

 

Christian Kern

Ich glaube nicht, dass wir den Kapitalismus überwinden können. Aber wir können ihn zähmen und in die richtigen Bahnen führen. Und das ist das, was uns das Mutterland des Kapitalismus - die Amerikaner - ja auch vorführen.

 

Michael Nikbakhsh

Apropos Kapitalismus, ich hätte mir so gegen Abschluss hin noch etwas aufgehoben über das Sie sicher wahnsinnig gern reden wollen. [Gelächter]

 

Christian Kern

Was kommt jetzt, Austria Wien oder wie? [Gelächter]

 

Michael Nikbakhsh

Ja an das habe ich jetzt gar nicht gedacht. [Gelächter]

 

Christian Kern

Das wirft mich jedes Wochenende zurück, ich sag’s Ihnen.

 

Michael Nikbakhsh

Was soll ich Ihnen über Rapid sagen… [Gelächter]

 

Christian Kern

Ja ich hab gesagt, das nächste Mal nehmen wir den Tormann auch nicht raus. 

 

 

Michael Nikbakhsh

Das hat wehgetan.

 

Christian Kern

Das war gut.

 

Michael Nikbakhsh

Na na, das Stichwort wäre jetzt… wir hatten erst vor einiger Zeit Kontakt. Ich bin ja umso dankbarer, dass sie sich bereiterklärt haben, zu kommen, weil der letzte Kontakt, den wir hatten, war ja jetzt nicht so freundlich. Stichwort: wir sind eben nicht verhabert. Da ging es um eine Sachverhaltsdarstellung, die eingebracht wurde, die quasi ihr geschäftliches Dasein berührt. Da hat Ihnen eine Immobilienfirma aus Wien vorgeworfen, Sie hätten Sie um eine Millionen Euro geschädigt um ein gescheitert Bauprojekt in Wien, in der Donaustadt. Ich habe ein bisserl gebraucht, um Sie überhaupt zum Gespräch zu bekommen, erinnere ich mich. Sagen‘s doch zwei Sätze zum Stand dieser Geschichte. Was ist da aus Ihrer Sicht dran?

 

Christian Kern

Na ja, die Geschichte ist so: jemand hat Kern gesehen, wie er mit einem Schwan aus dem Stadtpark den Pudel seiner Nachbarin verprügelt. [Gelächter] Das ist die, ich übersetze, die Geschichte, vorgetragen von einem Anwalt aus dem schlagenden Burschenschaftermilieu, der die Herren Kickl Gudenus und Co. vertritt, der Vertrauensanwalt von dieser Seite ist. Man kann sich da denken, was man möchte. Nein, die Geschichte ist, ich habe das hier mehrfach gesagt, eine glatte Verleumdung. Es wurde eingebracht, dass spekuliert wurde, dass ich mit Doskozil in die Politik zurückgehe, so da hat sich jemand reichlich gefürchtet. Ich bin voller Zuversicht, dass das seinen Weg gehen wird. Ich muss auch dazu sagen, dass es schwierig ist, dass so etwas so ewig dauert, bis es sich überhaupt jemand von den Behörden anschaut. Das war eine interessante Erfahrung jetzt für mich. Ich glaube trotzdem, dass es falsch wäre, die langsame Vorgangsweise zu kritisieren. Man muss Respekt vor der Justiz haben. Ich glaube, die ÖVP-Seite hat gezeigt, dass sie es nicht haben mit den Angriffen auf die Wirtschafts- und Kriminalitätsstaatsanwaltschaft. Ich bin voller Zuversicht, dass das Ergebnis sein wird. Ich habe mittlerweile eine Klage eingebracht, da haben wir Recht bekommen.

 

Michael Nikbakhsh

Worum ging’s da?

 

Christian Kern

Dass diese Behauptungen, die Sie jetzt gerade genannt haben, nicht wiederholt werden dürfen. Da läuft noch das Rechtsmittel, man wird sehen, das ist relativ schnell gegangen. Da wird es weitere geben. Also ich lasse das sicher nicht auf mir sitzen. Da hat jemand echt übertrieben. Das Dilemma ist, dass du ja als öffentliche Person das leider über dich ergehen lassen muss, weil die Journalistinnen sagen naja sie sind aber eine öffentliche Person und du sagst dann, schauen Sie sich das Urteil bitte im Detail an und dann wird einfach nur zitiert, was die andere Seite sagt. Das ist eine Geschichte, die im zivilen Bereich stattgefunden hat. Ein Anwalt geht trotzdem durch die Zeitungsredaktionen, um diese Geschichte zu erzählen, um diese Diffamierung zu betreiben. Also man sieht den motiven Cocktail eh ganz gut. Du hast halt das Dilemma, je mehr darüber geredet wird. insofern habe ich jetzt a Freud‘ mit unser‘m Gespräch, desto mehr ist es Thema und du musst dich dann rechtfertigen, kannst es aber nicht, weil du Respekt hast vor den Justizbehörden. Das ist die Situation. Also ich gehe davon aus, das wird verschwinden, wie es gekommen ist. Ich habe ja, wie gesagt, schon einige Erfahrungen damit. Seinerzeit wurde mir in Österreich diese Korruptionsaffäre angedichtet, in Israel. Die hat ungefähr den selben Realitätsgehalt gehabt. Ist auch damit ausgegangen, dass wir dann geklagt haben und alle Verfahren zu unseren Gunsten entschieden worden sind. So wird es diesmal wieder sein.

 

Michael Nikbakhsh

Als öffentliche Person, die man ist, gewöhnt man sich dann irgendwann dran, dass man einfach regelmäßig angeschossen wird?

 

Christian Kern

Na ja, du brauchst schon ein riesen Selbstbewusstsein und da musst du sagen: okay, ich weiß wer ich bin, ich bin das als Person. Ich weiß, was ich getan habe, welche Vorstellungen ich habe und deshalb trifft mich nicht jede Kritik. Das ist ja in der Tat so, von Twitter abwärts, wenn wir uns schauen, wie wir miteinander umgehen. Leider ist das auch in der SPÖ eingerissen, rund um diese Vorsitzendenwahl mit ziemlichen persönlichen Diffamierungen. Das ist etwas, wo ich ehrlich sein muss. Mir fehlt ehrlich gesagt jedes Verständnis, wo Leute die Energie hernehmen, alle anderen für Trotteln zu halten und das explizit und mit Nachdruck zum Ausdruck zu bringen. Ich habe gelernt, dass es manchmal ganz gut ist, sich in die Schuhe von anderen Leuten zu stellen. Zu überlegen, was waren eigentlich seine Motive, wie meint er das? Und hat er vielleicht nicht auch einen Case, den man sich mal nüchtern anschauen kann? Wenn du einmal verstanden hast, wie dieses Prinzip ist und dann gehst du auch damit um, ganz gelassen. Für das Umfeld ist es nicht immer so ganz locker.

 

Michael Nikbakhsh

Sie sind ja bis heute eine öffentliche Person, die sie nicht sein müssten. Sie könnten auch sagen: ja gut ich verkaufe meine Lokomotiven und lasst‘s mich in Ruhe.

 

Christian Kern

Nicht einmal das geht, weil ich hatte heuer das Vergnügen, mit anwesenden Personen dreimal am Kronen Zeitungs-Cover zu landen. [Gelächter]

 

Michael Nikbakhsh

Wann ist das passiert?

 

Christian Kern

Das waren schöne Bilder. [Gelächter]

 

Michael Nikbakhsh

Also wenn ich jetzt an Werner Faymann zum Beispiel denke… niemand weiß, was aus Werner Faymann wurde, nicht? Er hat schon, als er Kanzler war, nicht das Licht der Öffentlichkeit gesucht. [Gelächter] Oder sagen wir mal so: in Inseraten wollte er schon gern vorkommen, aber Interviews waren ihm nicht so lieb. Okay, das machen Sie nicht, heute unfair, weil ich habe sie ja quasi eingeladen. Also Sie haben sich ja nicht aufgedrängt, aber Sie suchen ja weiterhin das Licht der Öffentlichkeit bis zu einem gewissen Grad…warum?

 

Christian Kern

Na ja, erstens einmal, glaube ich, hast du als Jemand, der Verantwortung für das Land hatte, schon eine Verantwortung, die du nicht restlos abstreifst. In den Zustand zu kommen, es ist dir alles egal, was da passiert… das tue ich nicht. Ich versuch mich da jetzt auch zurückzuhalten. Ehrlich gesagt Ihre Einladung war ein Ausdruck meines Respekts für Ihre Arbeit. Auch wenn Sie gesagt haben, wir hatten beim letzten Mal unterschiedliche Meinungen. Aber ich weiß ja, wie wichtig das ist, was Sie tun und ich finde, das muss man unterstützen. [Applaus] Das ist mir ein Anliegen. Ansonsten glaube ich, meine Twitter Timeline und meine LinkedIn Aktivitäten beschäftigen sich mit Eisenbahn und Fußball, bevorzugt also allem, was wirklich wichtig ist. Aber seine politische Meinung gibt man natürlich nicht ab und ich sehe auch keinen Sinn darin, sie ewig zu verbergen wenn man das Gefühl hat, etwas läuft falsch. Wie Sie gemerkt haben, meine Emotion ist da oder dort vorhanden, ohne dass ich das selbst noch einmal ausprobieren will, um Gerüchte irgendwie.

 

Michael Nikbakhsh

Das ist fix? [Gelächter]

 

Christian Kern

Dass ich es nicht ausprobieren will? 

 

Michael Nikbakhsh

Ja.

 

Christian Kern

Total. [Gelächter] Journalist… [zeigt auf Michael Nikbakhsh]

 

Michael Nikbakhsh

Das ist jetzt interessant. Ich habe gar keine Frage gestellt. [Gelächter] Ich habe nur geschaut.

 

Christian Kern

Ich habe auch nur Journalist gesagt. [Gelächter]

 

 

Michael Nikbakhsh

Ja, ja, gut, Sie waren ja selber auch Journalist.

 

Christian Kern

Ja. Journalisten, ein Fehlverhalten vorzuwerfen, ist eher einer der gröber sinnlosen Dinge. [Gelächter] Das Reflexionsvermögen in der Politik wird unterschritten… Tom Stoppard hat einmal gesagt: „Ich bin total für die Pressefreiheit, nur die Zeitungen kann ich nicht leiden“. [Gelächter] Wobei ich liebe die Zeitungen. Also für mich ist das Größte, was man tun kann, mit einer Zeitung im Fauteuil zu hocken.

 

Michael Nikbakhsh

Ja, ein paar Leute gibt es noch in dem Land, die das mögen.

 

Christian Kern

Ja.. sowas von outdated.

 

Michael Nikbakhsh

Als sie Kanzler waren, war ja das Selfie-Machen noch nicht zu in, oder?

 

Christian Kern

Ja furchtbar, doch schon. Na, ich liebe Selfies, ist gar keine Frage. Aber du hast wirklich manchmal eine Schlange gehabt, das hat drei, vier Stunden gedauert. Das glaubt man nicht, das ist dann wirklich physisch beanspruchend.

 

Michael Nikbakhsh

Aber mit dem Christian Rainer haben Sie nie ein Selfie gemacht oder?

 

Christian Kern

Na. Auch keine Zungenküsse mit anderen Chefredakteuren. [Gelächter] Kein Konsum von Substanzen aller Art.

 

Michael Nikbakhsh

Gut, das haben auch immer alle gesagt, nicht? [Gelächter]

 

Christian Kern

Grüner Veltliner, okay.

 

Michael Nikbakhsh

Keine Bordeaux-Granaten mit Alfred Gusenbauer? [Gelächter]

 

Christian Kern

Ich weiß noch, wie ich ein ganz ein junger Bub war, bekam ich einen Brief von zwei SPÖ Abgeordneten - einer ist schon tot aber ich sag jetzt keine Namen - die Belehrung, die dann gesagt haben: für ein Achtel, wenn es richtig gut ist, einen 100er, damals Schilling, das ist mir schon wert. Und ich bin da neben ihnen gesessen, gerade erst aus dem Feu De Deu entsprungen, aus dem Linkssozialismus kommend und habe ihnen dann eine Moralpredigt gehalten. [Gelächter] Dieser edukative Versuch ist komplett an ihnen abgeprallt. [Gelächter] Keine Namen.

 

Michael Nikbakhsh

Wie so oft. Das war gut, hat mir gut gefallen. Ich hoffe, es hat auch Ihnen gefallen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich habe doch einiges gelernt. Sie haben das gut gemacht.

 

Christian Kern

Der Herr Nikbakhsh hat am Anfang gesagt, es muss launig werden. Ich habe versucht, alle Schmähs die ich von Groucho Marx und Woddy Allen kenne, zusammengetragen und habe dann einen Moment gehabt, einen komatösen, so, jetzt fällt mir gar nichts mehr ein… sei ein bisschen lustig. [Gelächter] Nein, danke für die Einladung.

 

Michael Nikbakhsh

Vielen, vielen Dank fürs Kommen. Vielen, vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Dankeschön.
[Applaus]