Die Dunkelkammer – Der Investigativ-Podcast

#14 Bodenverbrauch: Versiegelte Flächen, schweigende Politik

Episode Summary

In der 14. Ausgabe der Dunkelkammer habe ich Johannes Wesemann zu Gast. Er ist einer der Gründer der NGO All Rise, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Umweltzerstörung vor Gericht zu bringen. Anfang Mai hat All Rise beim Verfassungsgerichtshof eine so genannte Staatshaftungsklage eingebracht. Stichwort Bodenverbrauch. Der Republik Österreich und den Ländern Niederösterreich und Oberösterreich werden Versäumnisse bei der Umsetzung von EU-Umweltrichtlinien vorgeworfen. Reaktionen der betroffenen Stellen: keine.

Episode Notes

Österreich verschlingt sich langsam aber sicher selbst. Jedes Jahr verlieren wir circa 0,5 Prozent unserer landwirtschaftlich genutzten Fläche an Wohnsiedlungen, an Straßen, an Betriebsanlagen, an Gewerbegebiete, an Beton und an Asphalt. 

Im Zeitraum 2010 bis 2020 wurden nach Erhebungen des Umweltbundesamts an jedem einzelnen Tag durchschnittlich 15,1 Hektar an sogenannten produktiven Böden verbraucht. 

Fast ein Fünftel der bewohnbaren oder landwirtschaftlich nutzbaren Fläche Österreichs ist mittlerweile verbaut, insgesamt sind das knapp 573.000 Hektar, das ist mehr als die doppelte Fläche des Bundeslands Vorarlberg.

Der Verein All Rise will die Politik nun im Wege einer Staatshaftungsklage beim Verfassungsgerichtshof zum Handeln zwingen. 

Zu der Klage geht es hier: https://drive.google.com/drive/folders/1Ry2pErOGNFOgf8ujeSXtCkcvZgojtxwJ

Ihr könnt die Kampagne finanziell unterstützen, zur Crowdfunding-Seite geht es hier entlang: https://www.respekt.net/projekte-unterstuetzen/details/projekt/2535/ 

Der Schriftsatz ist zwar seit Tagen öffentlich zugänglich, und doch  kennt man ihn weder im Bundeskanzleramt, noch in den Landesregierungen Niederösterreichs und Oberösterreichs, wie meine Recherchen ergaben. Im Umweltministeruium sind zumidest die Inhalte der Klage bekannt.

Eine Anfrage an das Büro des oberösterreichischen Naturschutzreferenten Mainfred Haimbuchner (FPÖ) blieb unbeantwortet. 

 Auch eine Anfrage in Niederösterreich brachte keine Antworten. Dort verwiesen vielmehr die Büros von Landeshauptfrau-Stellvertreter und Umweltreferent Stephan Pernkopf und von Naturschutzreferentin Susanne Rosenkranz (FPÖ) auf die Zuständigkeit des jeweils anderen. 

Das Umweltressort von Leonore Gewessler (Grüne)  teilte auf Anfrage mit:

Die Kompetenz für die Raumordnung liegt in Österreich bei den Bundesländern. Auf Bundesebene liegt die koordinierende Zuständigkeit beim Landwirtschaftsministerium, das auch federführend für die Ausarbeitung der Bodenschutzstrategie zuständig ist. Bodenschutz ist natürlich auch im Bereich des Klimaschutzministeriums ein wichtiges Thema, das wir auf all unseren Ebenen möglichst umfassend und zielstrebig verfolgen. Die entsprechende Klage liegt uns offiziell noch nicht vor – der VfGH wird jedoch auf formalem Weg die Bundesregierung über den Verfassungsdienst auffordern eine Stellungnahme abzugeben. Die Inhalte sind uns aber soweit bekannt.

Wir brauchen zum Schutz unserer Böden wirksame Maßnahmen. Dazu gehört vor allem auch eine Bodenschutzstrategie, die das Ziel den Bodenverbrauch auf maximal 2,5 Hektar Verbauung pro Tag zu reduzieren, ernst nimmt.

Für effektive Maßnahmen im Bodenschutz müssen alle Ebenen zusammenarbeiten: Auf Bundesebene ist die Bodenschutzstrategie, die vom Landwirtschaftsministerium erstellt wird, ein zentrales Element. Auf Landesebene sind die Bundesländer gefordert, in deren Kompetenz die Raum- und Bauordnungen liegen. Das Klimaschutzministerium setzt im eigenen Wirkungsbereich bereits weitere Maßnahmen um: Etwa durch den Klimacheck für das Asfinag-Bauprogramm, wo besonders bodenfressende Autobahnen gestoppt wurden, durch die Nutzung bereits versiegelter statt neuer Flächen etwa durch die ÖBB, und durch die neue Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-G), bei der erstmals strenge Kriterien für den Bodenschutz eingeführt wurden. Große Flächen für Logistikzentren, Parkplätze oder Chalet-Dörfer einfach zuzubetonieren, das ist ohne Prüfung nicht mehr möglich.

Das Bundeskanzleramt ließ die mehr als 24-stündige Antwortfrist verstreichen und antwortete erst Stunden nach der Aufzeichnung dieser Episode. Auf die Vorwürfe wollte man allerdings ohnehin nicht eingehen, da die Klage noch nicht zugestellt sei.